Nachfolger für Martin Schulz: Europas Konservative greifen ins Klo
Die EVP nominiert den Berlusconi-Adlatus Antonio Tajani als designierten Präsidenten des Parlaments. Sozialisten, Grüne und Linke sind dagegen.
Erst kündigte der Fraktionschef der Sozialdemokraten, der Italiener Gianni Pitella, die Große Koalition mit den Christdemokraten auf. „Die Zusammenarbeit ist beendet und wird nicht wieder aufgenommen“, sagte der Mann, der nach dem Abschied von Schulz den Ton auf der Linken angibt.
Kurz danach wählten die Konservativen und Christdemokraten von der Europäischen Volkspartei (EVP) ihren Kandidaten für die Schulz-Nachfolge. Völlig überraschend setzte sich Antonio Tajani, ein Vertrauter des früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, durch.
Tajani erhielt 94 Stimmen. Für die Irin Mairead McGuinness votierten 57, für den Franzosen Alain Lamassoure 38 und für den Slowenen Alojz Peterle 18 Abgeordnete.
Mankos von Tajani
Doch Tajani fehlt eine Mehrheit bei der für den 17. Januar geplanten Wahl des Parlamentspräsidenten. Nicht nur die Sozialdemokraten lehnen den 63-Jährigen ab. Tajani ist auch in den eigenen Reihen umstritten. Viele hätten lieber eine Frau ins Rennen geschickt.
Zudem hat der Forza-Italia-Politiker noch ein anderes großes Manko: Er spielt eine undurchsichtige Rolle im VW-Dieselgate. Von den Manipulationen bei Volkswagen habe er nichts gewusst, erklärte der ehemalige Industriekommissar. Dabei war er vor Aufdeckung der Affäre für die Kontrolle zuständig.
„Tajani hat Hinweise auf Abschalteinrichtungen ignoriert“, kritisierte der sozialdemokratische Europaabgeordnete Seb Dance nach der Anhörung im Dieselgate-Untersuchungsausschuss. „Es schadet dem Ansehen des EU-Parlaments, wenn an der Spitze jemand steht, der den Dieselmanipulationen der Autoindustrie jahrelang tatenlos zugesehen hat“, legt der grüne EU-Parlamentarier Sven Giegold nach.
Zuviel deutscher Einfluss
„Er ist extrem loyal und setzte sich durch, weil ihn alle persönlich kennen“, kontert der CDU-Abgeordnete Andreas Schwab. Der Kandidat hatte sich sogar beim CDU-Parteitag in Essen vorgestellt und sich beim Fraktionschef der EVP, dem CSU-Europaabgeordneten Manfred Weber, abgesichert. Erst nachdem Weber bekräftigte, dass er nicht selbst antreten wolle, warf Tajani seinen Hut in den Ring.
Doch nun haben Weber und die EVP ein Problem: Eine Mehrheit könnten sie nur mit Liberalen und EU-Gegnern wie Marine Le Pen oder Geert Wilders erringen. Doch das scheint undenkbar. „Unter Schulz“, stöhnt selbst ein deutscher Konservativer, „würde es solch ein Chaos nicht geben.“
Die Sozialdemokraten wollen jetzt nichts mehr von der Absprache wissen, derzufolge die EVP den nächsten Parlamentspräsidenten stellen soll. Und die nichtdeutschen Abgeordneten – also die riesige Mehrheit – wollten nicht wieder einen Deutschen an ihrer Spitze sehen.
Das war mit ein Grund, weshalb Fraktionschef Weber nicht selbst angetreten ist. Nun muss der CSU-Politiker sehen, wie er den Schaden begrenzt. Leicht wird es nicht. Insgeheim munkelt man schon, dass auch diese Krise nur von einer gelöst werden kann – von Kanzlerin Angela Merkel im fernen Berlin.
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