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Nach von Obernitz-RücktrittNeue Wirtschaftssenatorin gesucht

Berlins Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz (parteilos für CDU) tritt wegen des umstrittenen Personalauswahlverfahrens bei der Messe Berlin GmbH zurück.

"Erfahre keine ausreichende Unterstützung": S. von Obernitz Bild: dapd

Nach dem plötzlichen Abgang der Berliner Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz (parteilos) sucht die Landes-CDU mit Hochdruck nach einem Nachfolger. Für Sonntagabend wurde das Präsidium zu einer Sondersitzung zusammenngerufen. Die Opposition wertete die Ablösung der Senatorin nach nur neun Monaten Amtszeit als Zeichen, dass die große Koalition immer instabiler wird und sprach von einem "Pleiten-, Pech- und Pannen-Senat". Wirtschaftsvertreter begrüßten den Schritt.

CDU-Chef Henkel hatte die Senatorin am Samstag darüber informiert, dass er sich von ihr trennt. Fast zeitgleich teilte von Obernitz in einer Pressemitteilung mit, dass sie den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) um ihre Entlassung gebeten habe. Von Obernitz war wegen möglicher Fehler bei einem Ausschreibungsverfahren für den Chefposten der landeseigenen Messegesellschaft unter Druck geraten.

Für Sonntagabend wurde das CDU-Präsidium einberufen, um über das weitere Vorgehen und einen möglichen Nachfolger zu beraten, wie Parteisprecherin Gina Schmelter bestätigte. Den Ort nannte sie nicht.

Henkel hatte am Samstag in der RBB-Abendschau gesagt, dass er keine ausreichende Basis mehr für eine Zusammenarbeit mit von Obernitz sehe. Er werde relativ zügig einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin präsentieren. "Schön wäre es schon, wenn es wieder eine Frau sein würde", sagte Henkel.

Von Obernitz beklagt mangelnde Unterstützung

Nach der Kritik hatte von Obernitz noch am Freitag bei der Ausschreibung einen Formfehler eingeräumt und angekündigt, dadurch entstandene Kosten persönlich zu tragen. Am Samstag dann überschlugen sich die Ereignisse. Nach einem Gespräch mit Henkel drang die Information an die Öffentlichkeit, dass sich der CDU-Chef von der Senatorin trennen werde.

Von Obernitz teilte hingegen mit, sie selbst habe um Entlassung gebeten. Zur Begründung schrieb sie: "Der Umgang von Aufsichtsrat und Geschäftsführung der Messe Berlin GmbH mit dem Land Berlin als Hauptgesellschafter im Rahmen des aktuellen Ausschreibungsverfahrens entspricht aus meiner Sicht nicht dem angemessenen Rollenverständnis zwischen Eigentümer und den Organen der Gesellschaft. Die Diskussionen in den letzten Tagen zeigen, dass ich für diese Position keine ausreichende Unterstützung erfahre."

Wirtschaft sieht Rücktritt als folgerichtigen Schritt

Der Schritt sei überfällig gewesen, erklärte Claudia Frank, Präsidentin des Verbandes der Freien Berufe Berlin (VFB), am Sonntag. Sie forderte die CDU auf, bei der Nachfolgesuche die Frauenquote nicht zu beachten. Der Wirtschaftsstandort Berlin brauche "jetzt mehr denn je Kompetenz - und niemanden, der nur aufgrund des Proporzes ausgewählt wurde".

Für eine folgerichtige Entscheidung hält auch der Sprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK), Jörg Nolte, den Rücktritt der Wirtschaftssenatorin. Schließlich habe die Fehlentscheidung in Sachen Messe auch Kosten zur Folge, sagte Nolte im RBB.

Bereits vor Bekanntwerden des Entlassungsgesuchs der Senatorin hatte der Präsident des Bundesverbands der Tourismuswirtschaft, Klaus Laepple, Konsequenzen. Der Streit bei der Messe sei "ausgesprochen destruktiv" für das Geschäft, die Branchen seien in Unruhe, hieß es in der "Berliner Morgenpost" (Samstagausgabe).

Opposition kritisiert Instabilität der großen Koalition

Die Opposition wertete den Abgang der Senatorin als Zeichen für die Instabilität der Koalition. Diese habe es nur neun Monate nach Regierungsantritt "auf zwei geschasste CDU-Senatoren, einen abgewählten SPD-Parteichef und einen Regierenden Bürgermeister auf Abruf" gebracht, sagte der Grünen-Landesvorsitzende Daniel Wesener.

Auch Linke-Landeschef Klaus Lederer spielte darauf an, dass mit von Obernitz schon der zweite Senatorenposten neu besetzt werden muss. Justizsenator Michael Braun (CDU) war nach nur zwölf Tagen Amtszeit zurückgetreten. Dies sei "der zweite schwarze Abgang im Pleiten, Pech und Pannen-Senat", sagte Lederer.

Dagegen sprach Piraten-Fraktionsvorsitzender Christoph Lauer im RBB hingegen von einem "sehr befremdlichen Vorgang". Schließlich habe von Obernitz mit dem Ausschreibungsverfahren versucht, Transparenz herzustellen. "Offensichtlich hat die Messegesellschaft so viel Einfluss auf den Senat, dass dann auch schon mal Köpfe rollen." (dapd)

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5 Kommentare

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  • WS
    walter schmidt

    Betr.: Messe Berlin - Obernitz

     

    Mindestens in Insiderkreisen ist bekannt, dass die Leitung der Messe Entscheidungen nach Gutsherrenart trifft, Mobbing (Bossing) betreibt und jetzt zeigt sich über den Konflikt, den die ehemalige Senatorin aufgedeckt hat, dass in einer senatseigenen Behörde gekungelt wird und der hochdotierte Posten des Gesamtgeschäftsführers intern an einen genehmen Mitarbeiter vergeben werden soll.

    So bleibt alles beim alten 'Geklüngel'.

    Die Messe braucht dringend frischen Wind und neue, klarere Strukturen.

    Mit dem Ausscheiden des "guten Onkels" Geschäftsführer Hosch würde dann der 'Gutsherr' gehen und es könnten adäquatere Strukturen aufgebaut werden.

  • WW
    Will wissen!

    Irgendwie vermisse ich in dem Artikel eine Beschreibung des Personalauswahlverfahrens wegen dem Frau Obernitz zurückgetreten ist.

    Wie lief das Auswahlverfahren ab und was ist dort der Stein des Anstoßes. Wie soll man sich als Leser des Artikels eine Meinung bilden, wenn man gar nicht informiert wird um was es bei dem Verfahren geht?

    Das wäre doch die wichtigste Information gewesen. Was irgendwelche anderen Politikernasen dazu sagen, ist doch eigentlich irrelevant, macht aber einen Großteil des Artikels aus, ohne auf das Problem zu kommen, weswegen man mit dieser Frau nicht mehr arbeiten will.

     

    Vielleicht liefern Sie diese Informationen noch nach.

  • S
    Schneider

    So ein Gerangel um Posten und Pöstchen. Bitte die Besetzung von Ämtern künftig nur nach Sachkenntnis und nicht nach Parteibuchn bzw. wegen der Nähe zu einer Partei.

  • WT
    wahre taz

    Der einzige Skandal bei Frau Obernitz' Rücktritt ist, dass er erst jetzt erfolgt. Schon im Februar war klar, dass von Obernitz die zweite Fehlbesetzung-des-senats“ ist, wie der Berliner Wassertisch völlig zu Recht titelt(://berliner-wassertisch.info/wirtschaftssenatorin-von-obernitz-zweite-fehlbesetzung-des-senats-pressemitteilung-vom-02-02-2012/).

     

    Grund: Der Wassertisch sieht den Preismissbrauch in Höhe von 20-30% (lt. Bundeskartellamt) bei den Wasserpreisen als Abzocke an. Nicht so die Wirtschaftssenatorin. Obwohl der Senat Mehrheitseigentümer ist, tat die Ex-Senatorin nichts. Sie sah sich als Aufsichtsrat der Wasserbetriebe den Gewinnen der Anteilseigner (außer dem Senat die Konzerne RWE und Veolia) mehr verpflichtet als den Interessen der Bürger. Der Jurist Prof. Kerber hat ihr deswegen „intellektuelle Konfusion“ bescheinigt (http://berliner-wassertisch.info/interview-des-berliner-wassertischs-mit-prof-markus-c-kerber/). War in der taz leider nicht zu lesen.

     

    Soviel zum Obernitz'schen „angemessenen Rollenverständnis zwischen Eigentümer und den Organen der Gesellschaft“ – und zwischen Politikern, Unternehmen und der Bürgerschaft.

  • A
    aurorua

    Würden doch bloß alle wegen eines Formfehlers zurücktreten und schon hätten wir Neuwahlen, weil kaum noch einer da wäre!