Nach konstruiertem Nötigungs-Verdacht: Grünen-Abgeordneter Zicht rehabilitiert
Die Ermittlungen gegen den Bremer Grünen Wilko Zicht sind eingestellt. Er sollte eine Wirtin genötigt haben, sich von Nazis zu distanzieren – dabei riet Polizei zu dem Treffen.
BREMEN taz | Das Verfahren gegen den Bremer Bürgerschaftsabgeordneten Wilko Zicht (Grüne) ist eingestellt worden. Es mangele an einem „hinreichenden Tatverdacht“, teilte die Staatsanwaltschaft Bremen am Mittwoch mit. Gegen Zicht war wegen des Verdachts der Nötigung ermittelt und seine Immunität als Abgeordneter der Bremischen Bürgerschaft dafür aufgehoben worden.
Zicht soll die Wirtin der Kneipe „Verdener Eck“ genötigt haben, sich von Neonazis zu distanzieren, so der Vorwurf der Ermittler. Vor der Kneipe, in der sich bis dato die rechten Werder Hooligans trafen, war es unter anderem beim Nordderby gegen den HSV am 19. April zu Auseinandersetzungen zwischen linken Ultras und rechten Hooligans gekommen, in deren Zusammenhang anschließend der Ultra Valentin S. verhaftet wurde.
Bei der Kneipe wurden im August die Scheiben eingeworfen und „Keine Kneipe den Nazis“ an die Fassade gesprüht. Zicht hatte sich daraufhin an die Wirtin gewandt und ihr seine Hilfe angeboten, um die Kneipe von dem Ruf, ein Neonazi-Treffpunkt zu sein, zu befreien. Er riet ihr, rechten Hooligans Hausverbote zu erteilen und soll garantiert haben, dass dann nichts weiter passieren werde. Tatsächlich kam es daraufhin zu entsprechenden Presseberichten. Die Wirtin gab an, das Gespräch mit Zicht sei „harmonisch“ verlaufen. Die Polizei interpretierte das allerdings anders – und leitete eigenständig eine Ermittlung wegen Nötigung ein.
Tatsächlich war es die Polizei jedoch selbst, die der Wirtin zum Treffen mit Zicht geraten hatte. Das belegen Aktenvermerke, die der taz vorliegen. Demnach hatte sich die Wirtin nach der Farb- und Steinattacke auf ihre Kneipe mit der Polizei in Verbindung gesetzt und auch von dem Hilfsangebot Zichts berichtet. Der Polizist habe ihr daraufhin geraten, mit dem Grünen-Abgeordneten in Kontakt zu bleiben – wodurch das Treffen überhaupt erst zu Stande kam. Auch die Vorschläge der Polizei, wie die Wirtin mit der Situation umgehen solle, deckten sich mit den Ratschlägen Zichts.
Das sieht nun auch die Staatsanwaltschaft: Nach Vernehmungen von Zicht und der Wirtin könne eine Nötigung „nicht nachgewiesen werden“. Dabei hatte der ermittelnde Staatsanwalt nach Informationen der taz zunächst sogar vor, bei Zicht eine Durchsuchung durchzuführen.
Da Zicht jedoch zuvor vom Präsidenten der Bremischen Bürgerschaft, Christian Weber (SPD), über den Antrag zur Aufhebung seiner Immunität informiert worden war – wie es die Geschäftsordnung der Bürgerschaft vorsieht –, erübrigte sich die Durchsuchung, weil Zicht das gewünschte Material von sich aus vorlegte.
„Nach meiner Einschätzung lag zu keinem Zeitpunkt auch nur ein Anfangsverdacht vor“, sagt Zicht nun der taz. Das ganze Verfahren hatte auch in anderen Bürgerschaftsfraktionen für Kritik gesorgt: Zicht, der unter anderem das „Bündnis Aktiver Fußballfans“ mitinitiierte, hatte sich schon vor seiner Zeit als Abgeordneter immer wieder kritisch über Polizei-Einsätze geäußert – etwa über die mangelnde Distanz der szenekundigen Beamten in Bremen zur rechten Hooligan-Szene von Werder. Für Linken-Fraktionschefin Kristina Vogt hatte das Verfahren deshalb „mehr als ein Geschmäckle“.
Den Vorwurf eines politisch motivierten Verfahrens weist die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Petra Meyer, zurück: „Ich gehe nicht davon aus, dass der Kollege politische Erwägungen im Hinterkopf hatte“, so Meyer zur taz.
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