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Nach der Wahl in Indonesien272 Helfer sterben an Überarbeitung

Weil sie tagelang bis spät in die Nacht Stimmzettel auszählen mussten, sind 272 Wahlhelfer in Indonesien an Stress und Übermüdung gestorben.

Wahlhelfer in 800.000 Wahllokalen dokumentieren, kopieren und signieren unter großem Zeitdruck Foto: imago-images/Zuma Press

Kuala Lumpur taz | Supriyanto war einer der ersten Wahlhelfer, der an Stress und Übermüdung gestorben ist. Der 54-Jährige, der wie viele Indonesier nur einen Namen hat, war zwei Tage nach der Wahl vom 17. April in Cigalontang in Westjava ohnmächtig zusammengebrochen und starb im Krankenhaus. „Supriyanto klagte über Atemnot, bevor er ohnmächtig wurde. Laut seiner Familie litt er an Asthma“, sagte der Polizeichef von Cigalontang dem Portal tribunnews.com.

Aber Supriyanto ist kein Einzelfall. Arief Priyo Susanto, Sprecher der Wahlkommission, bestätigte am Samstag Berichte, wonach seit der Wahl im ganzen Land schon 272 Wahlhelfer durch Stress, Druck, Schlafmangel und Erschöpfung gestorben sind. Weitere 1.878 seien erkrankt.

Der Urnengang war eine Megawahl. Erstmalig wurden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen gleichzeitig abgehalten. Zudem fanden Provinz- und Kommunalwahlen statt. 190 Millionen Indonesier waren wahlberechtigt, und 82 Prozent machten von diesem Recht Gebrauch. Auch die anderen Zahlen sind überwältigend: 800.000 Wahllokale, fünf Millionen Wahlhelfer plus 400.000 Polizisten und Soldaten zur Gewährleistung der Sicherheit.

Vor allem die Präsidentschaftswahl war eine Richtungsentscheidung zwischen Amtsinhaber Joko Widodo und Herausforderer Prabowo Subianato. Nach inoffiziellen Zählungen liegt Präsident Widodo mit 54 Prozent der Stimmen gut zehn Prozent vor seinem Herausforderer. Prabowo weigert sich jedoch standhaft, seine Niederlage einzugestehen.

Keine Toleranz für „Minifehler“

Entsprechend groß ist der Druck auf die Wahlhelfer, die Millionen von Stimmzettel der Präsidentschaftswahl, der Parlamentswahl, der Senatswahl, der Provinz- und Kommunalwahlen auszählen, die Ergebnisse dokumentieren, kopieren, signieren müssen. „Die arbeiten jeden Tag bis tief in die Nacht“, sagt Andreas Harsono telefonisch gegenüber der taz. Das gehe an die Substanz und besonders gefährdet seien Menschen mit Vorerkrankungen wie Kreislaufprobleme oder Herzfehler.

„Hinzu kommt aber auch der politische Druck“, weiß der Autor des Buches über „Ethnische und religiöse Gewalt im Post-Suharto Indonesien“. Das Lager von Prabowo wittere hinter jedem „Minifehler“ bei der Auszählung oder bei schwer leserlich ausgefüllten Wahlzetteln Manipulation und Betrug.

Wahlen in Indonesien waren offenbar schon immer ein Risiko für das seelische Wohlbefinden der Kandidaten. Für deprimierte Wahlverlierer haben Krankenhäuser auch in diesem Jahr wieder Sondereinheiten zur psychischen Therapie von postwahltraumatischen Belastungsstörungen eingerichtet.

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9 Kommentare

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  • ich stimme dem ersten Kommentar zu: Der Artikel hat wenig Aussagekraft. Zunächst ist man geschockt von der Überschrift, aber nach etwas Denken bleibt keine wirkliche Information. Reißerischer Journalismus steht der TAZ nicht!

  • Die Zahl 272 Tote unter 5 Millionen Wahlhelfern sagt wenig, wenn man keinen Vergleich zu ihr hat. 272 Gestorbene von 5 Millionen Menschen innerhalb einiger Tage: ist das viel oder wenig?

    Wahrscheinlich gibt es weltweit hunderte Texte zu dieser Sache. Nun hat die taz nachgezogen. Die Zahl der Wahlhelfer variiert in den Berichten, liegt auch mal bei 7 Millionen.

    Mich irritiert, wie hier ein Medium nach dem anderen auf den Zug aufspringt, d. h. einen Text zu einem Thema veröffentlicht, ohne mal ganz einfache Fragen zu stellen (siehe mein erster Absatz) - oder gar zu beantworten, die etwas über den Informationsgehalt aussagen. Zudem wird die Leserschaft mit naheliegenden Fragen alleinegelassen.

    Hier mal eine Überschlagsrechnung (Zahlen gerundet):

    Deutschland:



    Bevölkerung: 83 Millionen



    Sterbefälle im Jahr: 932000



    Tägliche Sterbefälle für 1 Million Einwohner: 31



    (Quelle: www.destatis.de)

    Wahl in Indonesien:



    Wahlhelfer: 5 Millionen



    Sterbefälle an 10 (angenommenen) Tagen: 272



    Tägliche Sterbefälle für 1 Million Wahlhelfer: 5

    Die Zahl der täglichen Sterbefälle je 1 Million Wahlhelfer in Indonesien beträgt also etwa ein Sechstel der täglichen Sterbefälle je 1 Million Einwohner in Deutschland.

    Unberücksichtigt bleiben bei der Betrachtung die um etwa 10 Jahre geringere Lebenserwartung in Indonesien gegenüber Deutschland, das Alter der Wahlhelfer, die unterschiedliche medizinische Versorgung in Deutschland und Indonesien und einige andere Faktoren, die beim Vergleich eine Rolle spielen sollten oder könnten, wenn man die Sache genauer betrachtete.

    Meine Schlussfolgerung nach dem Vergleich:



    Die absolute Zahl von 272 Toten innerhalb einiger Tage bei 5 Millionen Wahlhelfern ist keinesfalls beunruhigend hoch. Ob die Sache überhaupt einen Bericht - und die Zeit, die ein Journalist an so einem Text arbeitet - wert ist, darf die taz und darf jeder Leser für sich selbst beantworten.

    Wie wäre es mal mit etwas (mehr) Recherche, liebe Medien?

    • @ReiPar:

      Sie nehmen als Vergleichsgröße die Sterbefälle pro Gesamtbevölkerung, also auch diejenigen, die sterben, weil sie bereits altersschwach oder todkrank sind. Weil aber aus diesem Personenkreis wohl kaum jemand Wahlhelfer wird, kann doch dieser Vergleich überhaupt nicht funktionieren!

      • @Ewald der Etrusker:

        Sie haben Recht, dass der Vergleich nicht ganz hinhaut. Aber darauf wies ich ja selbst auch schon hin: "Unberücksichtigt bleiben bei der Betrachtung ... das Alter der Wahlhelfer ..." (in der Regel sind Wahlhelfer weder todkrank noch altersschwach, wie Sie richtig anmerken). Das bedeutet aber nur, dass die Zahl der gestorbenen Wahlhelfer noch weniger beunruhigend ist, als es der überschlägige, d. h. ungenaue Vergleich ohnehin zutagegefördert hat.

        Wenn Sie einen genaueren Vergleich durchführen können, bitte ich Sie um Veröffentlichung hier.

        • @ReiPar:

          Wahlhelfer sollte nur werden, wer vergleichsweise gesund ist und demzufolge für die Zeit der Wahlauswertung nur ein äußerst geringes Sterberisiko hat. Unter diesem Aspekt wird die Zahl überhaupt nicht "noch weniger beunruhigend".

        • @ReiPar:

          Fehler in meiner Aussage: Die gegenteilige Tendenz ist gegeben. Aber: Das Verhältnis ist ungefähr 6 zu 1. D. h. es besteht viel Spielraum für solche Ungenauigkeiten, ohne dass die Aussage "keinesfalls beunruhigend hoch" darunter leidet.

          • @ReiPar:

            Reipar: Sie haben auch nicht Berücksichtigt, dass für die Wahlhelfer viele der möglichen Todesursachen nicht relevant sind, sie also in einer Umgebung sind, in der sie keinen "Grund" haben zu sterben und auch deshalb die "Überlebensrate" deutlich höher sein müsste als im Durchschnitt ... Wahlhelfer können zB nicht durch Arbeitsunfälle wie vom Gerüst oder vom Boot fallen, sterben.

            • @Franz Georg:

              Auch Sie haben Recht, wobei in Indonesien die Gefahr, über Bord zu gehen, als Wegeunfall deutlich wahrscheinlicher sein dürfte als in Deutschland. Übrigens hatte ich bereits in meinem ersten Beitrag zu diesem Artikel geschrieben, dass ich "einige andere Faktoren" unberücksichtigt ließ. Die Frage ist, wie das Zahlenverhältnis durch alle unberücksichtigten Faktoren zusammengenommen beeinflusst wird und in welche Richtung.

              Bei einem Zahlenverhältnis von 6 zu 1 bleibt, wie ich schon schrieb, viel Spielraum.

              An meiner grundsätzlichen Aussage, dass die Leserschaft mit naheliegenden Fragen alleingelassen wird, ändert sich in jedem Fall nichts. Die Leserschaft wird insbesondere mit der Frage alleingelassen, ob 272 Gestorbene von 5 Millionen Wahlhelfern innerhalb einiger Tage viel oder wenig ist Klar, eine genaue Vergleichsrechnung wird wohl nicht möglich sein, aber eine Überschlagsrechnung, wie ich sie versucht habe, sorgt wenigstens für ein wenig mehr Gefühl für die Zahlen. Sie besagt, dass die zunächst hoch erscheinende Zahl der gestorbenen Wahlhelfer in Wahrheit keineswegs beunruhigend hoch ist. Damit wird auch klar, dass die Überschrift wenig glücklich gewählt ist - außer man möchte eine reißerische Überschrift.

              Es reicht halt nicht, bei anderen inhaltlich abzuschreiben - wie es das Medienrecht m. W. zulässt - und damit die Fehler der anderen zu wiederholen. Etwas eigenständiges Denken und eigene Recherche schadet Journalisten nicht und kann Vorteile für die Leserschaft haben.

  • Wie bite??? Gab es irgendwas auch nur ähnliches schon mal irgendwo anders in der Welt??



    So was absurd-schockierendes hab ich ja noch nie gehört.