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Nach der Tragödie am Mount EverestMessner will einen staufreien Gipfel

16 Sherpas starben in einer Lawine. Die Bergsteigerlegende fordert deshalb ein Ende des Massen-Klettertourismus. Zahlreiche Expeditionen wurden auch schon abgesagt.

Soll nach Messners Meinung nicht mehr so häufig von Menschen behelligt werden: der Mount Everest. Bild: dpa

KATHMANDU/MÜNCHEN afp/dpa | Nach der Sherpa-Tragödie am Mount Everest mit 16 Toten hat Bergsteigerlegende Reinhold Messner ein Ende des Massen-Klettertourismus am höchsten Berg der Welt gefordert. „Lassen wir den Bergen ihre Größe, ihre Gefahren und ihre Ausstrahlung“, sagte Messner der Stuttgarter Zeitung. Es dürfe weder Seilbahnen noch Straßen oder Pisten bis zum Gipfel geben. Die Regierung in Nepal rief Messner auf, „nur eine Expedition pro Route pro Jahr auf den Berg, ohne Piste“ zuzulassen.

Der 69-jährige Messner hatte 1978 zusammen mit einem Kollegen als erster Mensch den Gipfel des Mount Everest ohne Sauerstoffflasche erreicht und zwischen 1970 und 1986 alle insgesamt 14 Achttausender bezwungen.

Am vergangenen Freitag hatte sich eine Lawine gelöst und 16 Sherpas in den Tod gerissen, während sie für die Ende April beginnende Bergsteiger-Saison eine Route zum Gipfel des Everest vorbereiteten. Es war das bislang schlimmste Unglück an dem 8848 Meter hohen Berg im Himalaya.

Am Donnerstag verhandelten Vertreter der nepalesischen Regierung im Basis-Lager mit den Sherpas über ihre Forderungen, darunter bessere Lebensversicherungen und Entschädigungen. Die Regierung in Kathmandu will verhindern, dass in diesem Jahr durch einen Ausstand der Bergsteiger alle Touren abgesagt werden. Der von den Sherpas angekündigte Ausstand würde 32 Expeditionen mit 734 Teilnehmern betreffen. Mit den Aufstiegen werden Millionenbeträge umgesetzt.

Hunderte Bergsteiger werden enttäuscht

Nachdem bereits drei große Touren-Organisatoren am Dienstag bekannt gegeben hatten, dass sie Besteigungen für dieses Jahr gestrichen haben, schlossen sich ihnen am Mittwoch drei weitere an. Die US-Organisation RMI Expeditions erklärte, dass „die Risiken die Möglichkeit des Erfolgs übersteigen“. Neben RMI sagten auch International Mountain Guides aus den USA sowie die von einem Kanadier geführten Peak Freaks ihre Touren ab. Zuvor hatten bereits die in Neuseeland beheimatete Firma Adventure Consultants sowie die Alpine Ascents International und der Discovery Channel ihre Projekte am Mount Everest gestoppt.

Hunderte Bergsteiger, die zum Teil schon viel Geld für Expeditionen bezahlt haben, stehen vor einer bitteren Enttäuschung. Nepal rechnete in dieser Saison mit drei Millionen Dollar (rund 2,2 Millionen Euro) an Gebühren der Mount-Everest-Besteiger.

Extrembergsteiger fordert Hilfsfonds

Der bayerische Extrembergsteiger Karl Flock hat nach dem Lawinenunglück am Mount Everest mit 16 Toten die Einrichtung eines Hilfsfonds für die Hinterbliebenen der Sherpas angemahnt. „Das ist etwas absolut Notwendiges, das ist ein Muss“, sagte der 60-jährige Mediziner und Seven-Summit-Bezwinger. Der Weilheimer Höhenbergsteiger und Orthopäde hat als einer von wenigen Deutschen die höchsten Gipfel der sieben Kontinente bestiegen. 2006 war er am 8848 Meter hohen Mount Everest.

„Nepal ist immer noch eines der ärmsten Länder der Welt. Wenn eine Familie sowas trifft, dass der Vater zu Tode kommt, muss man helfen.“ Das sei für jeden, der dort unterwegs sei, eine moralische Verpflichtung. „Ohne die Sherpas würden die wenigsten der westlichen Touristen diese Achttausender besteigen können – die Einheimischen sind die wahren Helden.“ Auch bei den Versicherungen könne mehr gemacht werden. Die Agenturen und Expeditionsanbieter kümmerten sich in aller Regel gut um ihre Mitarbeiter.

Mehrere Bergsteiger, die gerade im Basislager am Everest sind, haben bereits Initiativen für eine Hilfe gestartet. Unter ihnen ist der US-Amerikaner Ed Marzec (67), der seinen persönlichen Bergführer Asa Bahadur Gurung in der Lawine verlor. Er spendete 10 000 US-Dollar (umgerechnet etwa 7240 Euro) und richtete den Sherpa Avalanche Fund für die Familien der 16 Toten ein. „Die 400 Dollar, die die Regierung als Entschädigung zahlt, sind eine Beleidigung“, sagte Marzec.

Seit der Erstbesteigung durch den Neuseeländer Edmund Hillary und seinen einheimischen Bergführer Tenzing Norgay 1953 kamen mehr als 300 Menschen am Mount Everest ums Leben, die meisten von ihnen waren einheimische Bergführer.

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1 Kommentar

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  • Das einfachste wäre wohl, künstlichen Sauerstoff am Berg zu verbieten. Das würde die Besteigungszahlen wohl auf 1% der heutigen Rate senken. Und fast alle Leute abhalten, die dort einfach nichts zu suchen haben.

    Aber das verdirbt ja das Geschäft, da diejenigen, die es wirklich ohne zusätzlichen Sauerstoff bringen, diesen ganzen Bergführerzirkus einschließlich Luxus im Basislager nicht notwendig haben.