Nach der "Exzellenzinitiative": Elitekater an den Unis
Nach dem Geldsegen stehen die Eliteunis dumm da, denn die Millionen reichen nicht aus. Jetzt haben selbst die Rektoren verstanden: Gute Stimmung allein reicht nicht aus.
Ach, wie schön waren noch die Zeiten, als es noch Geld regnete und lebensspendende Milliardenwölkchen Deutschlands Unilandschaft rosarot färbten. Kein halbes Jahr ist seit dem Schampusfinale der "Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder zur Förderung von Wissenschaft und Forschung" (sic!) vergangen, schon sammeln die Unis ihre früh verballerten Korken wieder ein.
Denn nach der "Exzellenzinitiative" ist manches besser und vieles schlechter geworden. Das meiste aber ist schlecht geblieben. Für dieses Fazit brauchten Deutschlands Unichefs erst eine hübsche Bilanzkonferenz des Stiftungsverbands für die Deutsche Wissenschaft. Denn bei den gutmütigen Spendern reden selbst die springfreudigen Unidiplomaten Klartext: Die 1,9 Elitemilliarden waren nur ein Tropfen auf den heißen Stein, an Deutschlands Hochschulen klaffen nach wie vor riesige Wunden. Blut. Schweiß. Tränen.
Verkrustete Strukturen, weißbärtige Langzeitstudierende und unbewegliche Frontalprofessoren - das sollte lange Zeit das einzige Problem an Deutschlands Hochschulen sein. Heute erkennen die Reformmacher hinter ihren neuen Aushängeschildern plötzlich noch ganz andere Schwierigkeiten - obwohl nun jahrelang alles dafür getan wurde, Deutschlands marode Unilandschaft schönzureden: Für die geförderte Kunst des Neu-Labelings wurden "Change Manager" - wie an der Eliteuni Aachen - beschäftigt und fesche Corporate Designs - wie an der FU Berlin - entworfen. Jetzt hat die Hälfte der Studiengänge englische Namen, alle schreiben auf dem gleichen Briefpapier und die StudentInnen kaufen endlich T-Shirts mit dem Uni-Logo.
Manche - wie die Eliteuni Karlsruhe - haben sich gleich eine eigene Unihymne - richtig gehört! - komponieren lassen. Doch während der Geldregen über den Unis verzogen ist und in Karlsruhe alle stimmungsfroh die geadelten Waden schwingen, steht der Rest der Bildungsrepublik dumm da. Denn hinter der Hybris der neuen Gesichter entdecken nun sogar dessen Macher selbst die Fäulnis versagender Organe.
Denn an vielen ist die goldene Wolke von Bund und Ländern schlicht vorbeigezogen: Der Geldregen beträufelte die junge Blüte der aufstrebenden Forschergeneration: Graduiertenschulen hier, ein paar töfte Projekte, ähem: "Exzellenzcluster", dort. Und die Lehre? Geht weitgehend leer aus. Zwar kommt ein Portiönchen des Lebenselixiers Geld über einen feschen Hochschulpakt in die Lehre, doch der ist gerade mal etwas über eine halbe Milliarde Euro wert. Während die neun Eliteunis 1,9 Milliarden einstecken, verteilen sich die 565 Millionen auf die anderen 249 Unis.
Doch auch nach dem Rausch um die Forschungsmittel sind die Hörsäle nicht leerer geworden. Im Gegenteil: Ab 2012 kommt ein hoffnungsvolles Studentenhoch - für das kaum Geld zur Verfügung steht: "Die Lehre", sagt Jürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, "spielt keine Rolle in der Außenwahrnehmung. Die Universitäten sind weiterhin dramatisch unterfinanziert, und das hat sich auch durch die Exzellenzinitiative nicht geändert."
Selbst da, wo der Geldregen angekommen ist, herrscht Zwietracht: Viele der Fachbereiche beneiden sich gegenseitig, berichten die RektorInnen - Neiddebatten und Frustrationen ziehen sich von den Miniunis auf dem Lande bis in die Kollegenkreise der Elitestübchen. Auch die Chefs der Exzellenzunis meckern: "Der Förderzeitraum ist zu kurz!" Denn wenn sich in fünf Jahren alle gerade an den noblen Titel gewöhnt haben, ist er vielleicht schon wieder weg.
Das Erwachen an den Unis ist nicht nur schön, sondern auch gut. Schön, dass nach jahrelangem Schlaf wieder Probleme fokussiert werden. Und gut, dass wenigstens kurz gezecht wurde. Die Uni Heidelberg feierte den Elitezuschlag mit einem "Feuerwerk des Wissens". Genau so macht man das - wenn die Funken morgen eh verpufft sind.
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