Nach der Amokfahrt in Berlin: Blöcke und Blockaden

Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf drängt den Senat zur Umsetzung eines verkehrlichen Sicherheitskonzepts für den Breitscheidplatz.

Schild an Laterne vor Gedächtniskirche: "Berlin trauert"

Wieder Trauer am Breitscheidplatz Foto: dpa

BERLIN taz | „Wer gar zu viel bedenkt, wird wenig leisten.“ In Jugendstil-Lettern und in Holz geschnitzt prangt dieser Spruch oben an der Wand im Minna-Cauer-Saal des Charlottenburger Rathauses, wo am Freitagmittag Bezirksbürgermeisterin Kirstin Bauch und Verkehrsstadtrat Oliver Schruoffeneger (beide Grüne) Platz genommen haben. Was sie zu verkünden haben, passt ganz gut zu diesem Motto: „Die Zeit des Abwägens ist vorbei“, erklärt Bauch – und fordert die schnellstmögliche Umsetzung eines verkehrlichen Sicherheitskonzepts für den Breitscheidplatz.

Mehrmals betonen die Politiker, es gehe ihnen ausschließlich um die Sicherheit: „Der Ort und die Menschen, die ihn nutzen, müssen endlich wieder zur Ruhe kommen.“ Dass sie die Amokfahrt vom Mittwoch, bei der am südlichen Rand des Platzes eine Frau getötet und mehrere Personen schwer verletzt wurden, für Verkehrspolitik instrumentalisieren, weisen sie weit von sich. Aber allen Beteuerungen zum Trotz: Ein gewisser Beigeschmack bleibt.

Denn dass in Zukunft jemand – ob aus politischem Fanatismus oder aufgrund einer psychischen Erkrankung – ein Fahrzeug als Waffe gegen PassantInnen verwendet, würde auch bei einem Komplettumbau des Breitscheidplatzes nur an einer einzigen Stelle unwahrscheinlicher: genau dort. Das räumen Bauch und Schruoffeneger ein: „Wir können natürlich nicht alle Kreuzungen oder Straßen im Bezirk so gestalten, dass dort absolute Sicherheit herscht“, sagt der Stadtrat. Man wolle es aber dort tun, wo es „erkennbare Probleme“ gebe, und das sei angesichts der zweiten Todesfahrt seit 2016 im Bereich rund um die Gedächtniskirche der Fall: „Da haben wir eine Aufgabe.“

Konkret geht es um zwei bereits vorliegende Konzepte, die den Verkehr am Breitscheidplatz ausbremsen und längere Geraden beseitigen sollen, auf denen ein Kraftfahrzeug stark beschleunigen könnte. Für die Hardenberg- und Budapester Straße auf der Nordseite hat das Bezirksamt Pläne erarbeitet, dort sollen die beiden südlichen Spuren dem Platz zugeschlagen werden. Die Kantstraße wiederum würde an ihrer Mündung in den Platz zur Sackgasse.

Für die Südseite des Platzes liegt dagegen ein Konzept der Senatsinnenverwaltung vor. Bei diesem würden die Einmündung der Rankestraße zu Kurfürstendamm und Tauentzienstraße sowie deren Mittelstreifen ebenfalls so umgebaut, dass längere Beschleunigungswege nicht mehr möglich wären. Die Fahrt des Täters am Mittwoch wäre dadurch allerdings nicht verhindert worden, wie Schruoffeneger bereitwillig konzediert: „Die Ranke muss dann noch mal angepasst werden.“

Schnelle Entscheidung gefordert

Seit Längerem geht es mit den Planungen nicht richtig voran, immerhin hat es gerade Ende Mai eine Sitzung „mit allen Beteiligten“ gegeben – neben dem Bezirksamt gleich mehrere Senatsverwaltungen, Polizei, Feuerwehr, Denkmalschutz und andere. Bauch und Schruoffeneger pochen nun auf eine schnelle Grundsatzentscheidung und hoffen, dass diese schon „in den nächsten Wochen“ zustandekommen kann. „Dann wären wir in der Lage, zügig provisorische Maßnahmen zu treffen“, sagt Schruoffeneger.

Und, fügt er hinzu, es könnten endlich die „fürchterlichen“ Betonblöcke abgebaut werden, die im Nachgang des Lkw-Anschlags auf den Weihnachtsmarkt vor fünfeinhalb Jahren am Rand des Platzes aufgestellt wurden. Die trügen „überhaupt nicht zu einer angenehmen Atmosphäre bei“. Womit er sicherlich Recht hat. Aber das ist ein ästhetisches Problem – und dass hier keinerlei Instrumentalisierung der Amokfahrt vorliegt, muss man angesichts dessen wirklich glauben wollen.

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