Nach den Postboten die Wachmänner: Mindestlohn bald Konsens?
Kaum ist der Streit um den Post-Mindestlohn vorüber, setzen sich sogar Arbeitgebervertreter für Mindesteinkommen ein. Zur Freude der SPD.
Mehrere Arbeitgeberverbände wollen sich den Post-Mindestlohn zum Vorbild nehmen - und in ihren Branchen ebenfalls schnell Gehaltsuntergrenzen einführen. "Wir brauchen den Branchenmindestlohn. Er verhindert Sozial- und Lohndumping und sichert soziale Standards in der Zeitarbeit", sagt etwa Volker Enkerts, Präsident des Bundesverbands Zeitarbeit (BZA). Ein Mindestlohn sichere "faire Wettbewerbsbedingungen", argumentiert auch Harald Olschok, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Wach- und Sicherheitsunternehmen. Der Verband werde im Januar mit der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di über einen Mindestlohn-Tarifvertrag verhandeln, dieser könne 2009 in Kraft treten. Auch der Bundesverband der Entsorgungswirtschaft kündigte für Januar Verhandlungen an.
Die Briefzusteller verdienen durch den Mindestlohn-Kompromiss der großen Koalition ab 1. Januar mindestens acht Euro die Stunde. Sind die Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften für Zeitarbeiter, Wachmänner und -Frauen sowie Müllfahrer erfolgreich, können sie bis Ende März die Aufnahme ihrer Branche ins Entsendegesetz beantragen. Es regelt, zu welchen Bedingungen Arbeiter ausländischer Firmen in Deutschland beschäftigt werden müssen.
Die Arbeitgeberverbände wollen sich durch Mindestlöhne vor allem vor unliebsamer Konkurrenz aus osteuropäischen Staaten wie Polen, Lettland oder Rumänien schützen. Ab 2009 gilt voraussichtlich die vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa - eine polnische Sicherheitsfirma könnte dann zum Beispiel ihre Wachschützer in ostdeutsche Städte schicken. "Da werden Löhne zwischen 1 und 1,50 Euro die Stunde gezahlt. Ein Mindestlohn ist nötig, um gegenzusteuern - und lässt sich durch das Entsendegesetz einklagen", sagt Olschok. Ähnliche Befürchtungen hegen Zeitarbeitsfirmen: "Ein Mindestlohn verhindert Tricksereien: Etwa die Gründung einer polnischen Tochter, mit der sich deutsche Tarifverträge unterwandern lassen", sagt Thomas Bäumer, Chef der Tuja Holding GmbH.
Die Vorstellungen über die Höhe des Mindestlohnes liegen allerdings weit auseinander. 7,50 Euro pro Stunde und keinen Cent weniger, lautet die Forderung der Gewerkschaften. Zeitarbeitslobbyist Enkerts kann sich 7,15 Euro vorstellen. Dies bedeutet nur für die wenigsten Beschäftigten eine minimale Besserung - der Einstiegstarif liegt bei 7 Euro.
Anders sieht es in der Sicherheitsbranche aus. Olschok fordert 8 Euro in reichen, westdeutschen Bundesländern und 6 Euro im Osten. Zum Vergleich: Ein Wachmann in Thüringen verdient nach Tarif gerade mal 4,40 Euro. "Wir rechnen durch einen Mindestlohn aber nicht mit nennenswerten Jobverlusten", sagte Olschok, "und wenn Billigfirmen vom Markt gehen, ist das kein Problem."
Während einige Chefs ihr Herz für Mindestlöhne entdecken, bleiben andere stur. Für "verfassungsrechtlich mehr als bedenklich" hält sie der AMP, ein Verband mittelständischer Zeitarbeitsfirmen. Und kritisiert die Verbandskonkurrenz scharf: "Nicht soziale Hintergründe sind das Motiv, sondern hier soll unliebsame Tarifkonkurrenz ausgeschaltet werden", sagt AMP-Geschäftsführer Thomas Hetz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!