Arbeitssenatorin fordert Mindestlohn: Billiglohnland Berlin

Arbeitnehmer in Berlin verdienen besonders schlecht: Jeder Fünfte bekommt in der Hauptstadt weniger als den derzeit diskutierten Mindestlohn.

Kurzgeschnitten: Damit kennen sich Berliner Friseure aus Bild: AP

Die Berliner verdienen so wenig, dass von der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns jeder fünfte Beschäftigte profitieren würde. "Bei einem Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde wären rund 20 Prozent der Arbeitnehmer im Land betroffen", sagte am Donnerstag eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Arbeit, Anja Wollny. Umgerechnet sind das zirka 270.000 Personen. Wollny verwies auf eine Veröffentlichung der Wirtschaftsverwaltung. Bundesweit liegt demnach der Anteil der Arbeitnehmer, die den Mindestlohn erhalten würden, bei 14,6 Prozent - also deutlich unter dem hiesigen Schnitt.

Die Berliner malochen nicht nur im deutschen, sondern auch im europäischen Vergleich für wenig Geld: In Großbritannien bekommen nur 1,4 Prozent der Arbeitnehmer den Mindestlohn, obwohl der dort sogar mehr als acht Euro beträgt. In den Niederlanden liegt der Anteil bei zwei Prozent, in Irland sind es drei Prozent.

Da wundert es nicht, dass Arbeitssenatorin Heidi Knake-Werner (Linke) am Donnerstag erneut die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns forderte. Gehälter, von denen man leben könne, hätten auch Vorteile für die Allgemeinheit, da es mehr Steuerzahler und eine höhere Kaufkraft gebe.

Berlin und Brandenburg erstellen seit zwei Jahren gemeinsam einen Niedriglohnspiegel, in dem alle Branchen mit tariflichen Vergütungen bis zu einer Höhe von 1.400 Euro brutto im Monat aufgelistet sind. Aus der Statistik geht hervor, dass in vielen Bereichen weniger als 7,50 Euro pro Stunde gezahlt wird. Dazu gehören Bewachungsdienste, Floristikgeschäfte, Friseure, die Zeitarbeitsbranche, aber auch Möbeltransporte.

Heidi Knake-Werner stellte am Donnerstag vor allem die Lage von Pflegekräften heraus. Angesichts der wachsenden Bedeutung dieses Bereiches in einer älter werdenden Gesellschaft dürfe diese schwere Arbeit nicht weiter so schlecht bezahlt werden. Nach Angaben des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe erhalten selbst Fachkräfte in Alten- und Pflegeheimen oder ambulanten Diensten immer häufiger "sittenwidrige" Gehälter. Diese lägen unter einem Drittel des branchenüblichen Tariflohns von 7,61 Euro (West) und 7,39 Euro (Ost).

Knake-Werner und Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) fordern schon lange einen gesetzlichen Mindestlohn, setzen den im Land jedoch erst jetzt um: Der Senat will die eigenen Aufträge künftig nur noch an Firmen vergeben, die nach Tarif beschäftigen. In Branchen ohne Tarifvertrag sollen die Unternehmen versichern, ihren Angestellten mindestens 7,50 Euro pro Stunde zu zahlen. Die dafür notwendige Gesetzesänderung hatte der Regierende Bürgermeister, Klaus Wowereit (SPD), im November präsentiert. Sie muss aber zunächst noch das Abgeordnetenhaus passieren.

Bundesweit sprechen sich inzwischen selbst Arbeitgeberverbände für die Einführung einer allgemeinen Untergrenze in bestimmten Bereichen aus. Doch die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) bleibt hart. "Wir stehen branchenbezogenen Mindestlöhnen skeptisch gegenüber, weil sie den Wettbewerb beschränken würden", sagte Sebastian Pickerodt, Referent für Wirtschaftspolitik. Einen allgemeinen Mindestlohn halte er nur dann für akzeptabel, wenn er nicht mehr als fünf Euro betrage.

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