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■ Nach den Bomben auf Chinas Mission in Belgrad hält der frühere chinesische Botschafter in Bonn Nato-Politiker für „irgendwie verrückt“. Der Angriff hat auch die Beziehungen zum Westen und den gerade begonnenen Verständigungsprozeß über eine UN-Resolution gegenüber Jugoslawien tiefgreifend beschädigt.Nach den Bomben droht Chinas Veto

Nach der Zerstörung der chinesischen Botschaft in Belgrad durch Nato-Luftangriffe hat die Regierung in Peking nicht nur die bilateralen Kontakte zu den USA vorläufig ausgesetzt sowie den für diese Woche geplanten Staatsbesuch von Bundeskanzler Gerhard Schröder zu einem Arbeitstreffen heruntergestuft. Nach Einschätzung von UNO-Diplomaten wird China jetzt – zum zweiten Mal seit Beginn der jugoslawischen Zerfallskriege im Sommer 1991 – auch seine Einflußmöglichkeiten als vetoberechtigtes, ständiges Mitglied des Sicherheitsrates nutzen.

Bis Anfang 1999 hatte China acht Jahre lang sämtliche Entscheidungen des höchsten UNO-Gremiums zu den Konflikten in Ex-Jugoslawien passieren lassen. Zumeist enthielt sich Pekings Botschafter in New York, in einigen wenigen Fällen stimmte er mit Ja. Und dies, obwohl die herrschende politische Klasse Chinas die Unabhängigkeitsbestrebungen der Teilrepubliken Jugoslawiens mit großem Mißtrauen verfolgte, die Unterstützung dieser Bestrebungen durch das Ausland als völkerrechtswidrige Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes wertete und die militärischen Gegenmaßnahmen Belgrads für gerechtfertigt hielt.

Vom Veto machte die Regierung in Peking erstmals Gebrauch, als sie sich mit der diplomatischen Anerkennung Taiwans durch Makedonien Ende 1998 selber unmittelbar betroffen sah. Diese Anerkennung war der Preis für Kredite, um die sich Makedonien zuvor jahrelang vergeblich in Westeuropa bemüht hatte. Die Zerstörung der Belgrader Botschaft durch Nato-Bomben gilt in Peking als ein weit gravierenderer Verstoß gegen die Souveränität Chinas als die Anerkennung Taiwans.

Nach dem Bonner G-8-Treffen vom letzten Donnerstag hatte China gegenüber westlichen Politikern zunächst signalisiert, es werde im Sicherheitsrat einen von Rußland mitgetragenen Resolutionsantrag zum Kosovo-Konflikt und zur Stationierung einer internationalen Schutztruppe nicht blockieren. Nun dürfte China mit einer Veto-Drohung versuchen, den Inhalt der Resolution möglichst weit in Richtung der Vorstellungen Belgrads zu verändern: eine von der UNO mandatierte und kommandierte Truppe, leicht und nur zur Selbstverteidigung bewaffnet, ohne Verbände aus Nato-Staaten – schon gar nicht jener, die an den Luftangriffen auf Restjugoslawien beteiligt sind; Verbleib einer möglichst großen Anzahl serbischer Armee- und Polizeiverbände im Kosovo als Ausdruck der Souveränität Belgrads über die südserbische Provinz; und eine völlige Entwaffnung der kosovo-albanischen Befreiungsbewegung UÇK. UNO-Diplomaten schließen auch nicht aus, daß China mit der Veto-Drohung zum Thema Kosovo versuchen könnte, insbesondere von den USA Konzessionen in anderen Fragen zu erreichen – zum Beispiel beim zwischen Washington und Peking umstrittenen Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation (WTO).

Die Nato-Bombe auf die Belgrader Botschaft Chinas hat möglicherweise auch den gerade erst begonnenen Differenzierungsprozeß bei der Wahrnehmung und Darstellung des Kosovo-Konflikts in China schon wieder beendet. In den ersten Luftkriegswochen enthielten die staatlich kontrollierten Medien ausschließlich scharfe Verurteilungen der „verbrecherischen“ und „völkerrechtswidrigen“ Nato-Luftangriffe. Durchgängig unterstrichen die Medien das „Recht“ des restjugoslawischen Präsidenten Slobodan Miloevic zur gewaltsamen Niederschlagung „sezessionistischer Kräfte“ – und bekräftigten damit zugleich das „Recht“ der Pekinger Regierung zu ähnlichem Verhalten in Tibet und der Unruheprovinz Xinjiang.

Doch seit der stellvertretende Chef der Kommunistischen Partei, Li Peng, im April mehrere muslimische Staaten besuchte, bringen die chinesischen Medien auch Berichte über die Vertreibung und das Flüchtlingsschicksal der (mehrheitlich muslimischen) Kosovo-Albaner. Bei einem Besuch in Thailand erklärte Li Peng, China verurteile Massaker und die Vertreibung von Menschen aus ihren Häusern.

Die Regierung in Peking wies die Universitätsdozenten des Landes zwar an, den Studenten die Völkerrechtswidrigkeit der Nato-Luftangriffe klarzumachen. Zugleich wurde den Universitäten davon abgeraten, den restjugoslawischen Botschafter in Peking oder andere Vertreter der Belgrader Regierung zu Vorträgen oder Diskussionen einzuladen. „Wir sehen die Gefahr in der Politik Jugoslawiens, wir wollen Jugoslawiens Fehler nicht wiederholen“, erklärte ein hoher Regierungsvertreter letzte Woche gegenüber westlichen Journalisten. Das war noch vor der Zerstörung der Botschaft in Belgrad.

Andreas Zumach, Genf

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