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Nach dem Umsturz in SyrienZwei kurdische JournalistInnen durch Drohne getötet

Bei Kämpfen in Nordsyrien sind mehrere Zivilisten, darunter zwei kurdische JournalistInnen getötet worden. Offenbar mit türkischer Unterstützung.

Gedenkdemonstration in dem Dorf Nusaybin im Südosten der Türkei für die getöteten JournalistInnen Cihan Bilgin und Nazim Dastan Foto: Metin Yoksu/AP/dpa

Istanbul taz | Bei den Angriffen der „Syrischen Nationalen Armee“ (SNA), auf die von kurdischen Milizen kontrollierten Gebiete im Nordosten Syriens sind in den letzten Tagen mehrere Zivilisten getötet worden, darunter auch zwei kurdische JournalistInnen aus der Türkei. Die Journalistin Cîhan Bilgin und der Journalist Nazim Daştan waren bereits am Donnerstag mutmaßlich von einer türkischen Drohne getötet worden, als sie über die Kämpfe zwischen der SNA und die kurdischen YPG Miliz am Tischrin Staudamm, etwas südlich der zuvor von der SNA eroberten Stadt Manbidsch am Euphrat berichten wollten.

Die SNA ist eine von der Türkei unterstützte und mit den neuen Machthabern von der HTS in Damaskus verbündeten Miliz, die seit der Eroberung von Aleppo mit massiver Unterstützung der Türkei gegen die kurdische YPG Miliz vorgeht.

Nach Angaben des alternativen Medienportals Bianet arbeitete die getötete Journalistin Cîhan Bilgin für die kurdische Agentur Hawar, ihr Kollege Nazim Daştan war für die der PKK nahestehende Nachrichtenagentur Firat unterwegs. Der türkische Journalistenverband forderte bereits am Wochenende Aufklärung über den Tod der beiden JournalistIinnen, dem sich auch der deutsche Journalistenverband DJV anschloss.

Der DJV Bundesvorsitzende Mika Beuster sagte am Montag: „Wenn sich herausstellen sollte, dass Cîhan Bilgin und Nazim Daştan gezielt ermordet wurden, weil sie journalistisch tätig waren, muss das Auswirkungen auf die diplomatischen Beziehungen zur Türkei haben“.

Diplomatische Bemühungen im Hintergrund

Um darüber zu reden, wie ein Krieg zwischen der Türkei und den syrischen Kurden noch zu verhindern ist, war Außenministerin Annalena Baerbock extra Ende letzter Woche nach Ankara geflogen, um sich mit ihrem türkischen Außenministerkollegen Hakan Fidan zu treffen. Sie warnte anschließend eindringlich vor einer türkischen Militärintervention in Nordostsyrien, sprach aber auch von türkischen Sicherheitsinteressen, die gewahrt werden müssten.

Im Hintergrund laufen seit Tagen intensive diplomatische Bemühungen, um einen offenen Krieg in Nordostsyrien und insbesondere einen großen Angriff auf die von Kurden bewohnte Stadt Kobanê, unmittelbar an der türkisch-syrischen Grenze gelegen, zu verhindern. Fidan hatte seiner Kollegin Baerbock zugesichert, dass die Türkei sich zurückhalten werde, wenn die neuen Machthaber in Damaskus „ihren Job machen“.

Deshalb war Fidan auch schon selbst in Damaskus, wo er forderte, dass die neue Übergangsregierung die mindestens bis zum kommenden März von der siegreichen islamischen HTS Miliz gestellt wird, die kurdische YPG Miliz und insbesondere Kämpfer in den Reihen der Kurden, die nicht aus Syrien stammen, gemeint sind PKK-Militante, entwaffnen müsse.

Verbündete US-Truppen sind zum Schutz der Stadt nach Kobanê eingerückt

HTS-Chef Mohamed al-Jolani, ein alter Bekannter von Fidan, hatte dem türkischen Außenminister bereits zugesichert, dass alle Milizen ihre Waffen in naher Zukunft abgeben müssten, auch die kurdischen Milizen im Nordosten und stattdessen eine neue einheitliche syrische Armee aufgebaut würde. Um einen unmittelbaren Angriff auf Kobanê zu verhindern, sind in den letzten Tagen mit den Kurden verbündete US-Truppen in die Stadt eingerückt.

Die kurdischen Milizen hatten gemeinsam mit den US-Truppen den IS in Syrien bekämpft und letztlich besiegt. Aus diesen Kämpfen stammt die derzeitige relative Stärke der syrischen Kurden, die im Nordosten eine Selbstverwaltung aufgebaut haben, die sie auch im „neuen Syrien“ als autonomes Gebiet behalten wollen. Der Militärchef der Kurden, Maslum Abdi hat aber bereits angeboten, seine Miliz aus Kobanê zurückzuziehen und unter US-Protektorat in der Stadt eine Demilitarisierte Zone einzurichten.

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3 Kommentare

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  • Die Gruppe, die nun in Syrien einen Weihnachtsbaum öffentlich verbrannte (und daraufhin prompt von der HTS einkassiert wurde - gute Arbeit!), hatte laut AugenzeugInnen einen "ausländischen Akzent", und zwar konkret: sie sprachen Bucharabisch - also das was man lernt, wenn man ursprünglich eine nicht-semitische Sprache spricht, und Arabisch von jemandem lernt, der*die auch kein*e Muttersprachler*in ist.

    Das aktuelle Gerücht ist, dass ihre Muttersprache eine Turksprache sei. Das legt nahe, dass es Kämpfer von Erdogans SNA waren, oder Leute aus deren Umfeld. Oder evtl Putinknechte.

    Na, ich hoffe, die werden menschenrechtskonform aber doch energisch verhört - die sollen nicht ihre Zähne ausspucken, sondern ihre Finanziers.

    Aus Syrien kamen die ziemlich sicher nicht. Sondern es waren Leute, die mit dem Auftrag nach Syrien geschickt wurden, dort einen religiösen Konflikt zwischen Christen und Muslimen zu provozieren.

    Übrigens der bislang einzige solche Vorfall seit Assads Sturz, der mehr als minimale Relevanz hatte. Wir können nicht in Jolanis Kopf schauen, aber wäre er der Turbo-Islamist, den manche in ihm sehen, dann versagt er bei der Islamisierung Syriens eklatant...

  • Erdogan ist doch einer der lautesten Verfechter für ein freies Palästina. Da wäre es doch an der Zeit auch für ein freies Kurdistan ohne türkische Imperialisten einzutreten. Aber wahrscheinlich denkt er immer noch eher on osmanischen Dimensionen.

  • Ideales Bürgerkriegsterrain, um die Methode Iran wieder aufleben zu lassen. Danke, USA, Scheiss auf die Menschen, Hauptsache der Ersttäter Assad konnte werbewirksam von einer Islamistenbande aus aller Herren Ostländer weggeputscht werden. Bürgerkrieg wird vom Kapitalismus immer genmmen, wenn der Endpreis für geoiltischen Einfluss und Ausbeutung noch nicht feststeht, oder die Falschen mitbieten. Der ZWECK, die Zerstörung des europ. Prinzips, steht fest- es ist also ein Vorherrschaftskrieg um den Wirtschaftseinfluss. USA lassen keine v.d. Leyen Kopie ihres Einflussmanagements zu.