Nach dem Putschversuch in der Türkei: JournalistInnen festgenommen
Es läuft eine Verhaftungswelle gegen JournalistInnen in der Türkei. Unter anderem wurden Nazli Ilicak und Bülent Mumay festgenommen.
Unter den Festgenommenen ist der Kolumnist Ali Bulac, einer der prominentesten Islamisten der Türkei. Ebenfalls festgenommen wurde der bekannte Journalist Sahin Alpay, ein früherer Linker, der lange für Cumhuriyet gearbeitet hatte und dann zu Zaman gegangen war. Der frühere Chefredakteur des englischsprachigen Ablegers von Zaman, Today's Zaman, Bülent Kenes, gehört ebenfalls zu den Verhafteten. Außerdem noch der islamische Philosoph Hilmi Yavuz, ebenfalls ein früherer Kolumnist von Zaman.
Nach der Übernahme von Zaman durch einen staatlichen Kontrolleur waren Präsident Recep Tayyip Erdogan und sein damaliger Regierungschef Ahmet Davutoglu noch davor zurückgeschreckt, diese auch unter AKP-Wählern sehr prominenten Leute festnehmen zu lassen. Das hat sich durch den Putschversuch, der laut Erdogan von der Gülen-Bewegung gesteuert war, nun verändert. Insgesamt stehen 47 ehemalige Redakteure, Kolumnisten und Ex-Geschäftsführer des Blattes auf der Festnahmeliste.
Unabhängig davon wurden bereits am Montag dieser Woche Haftbefehle gegen 42 Journalisten erlassen, unter anderem gegen die Politikerin und Journalistin Nazli Ilicak und den früheren Hürriyet-Journalisten Bülent Mumay. Nazli Ilicak, die für die AKP-Vorgängerpartei des Islamistenchefs Necmettin Erbakan im Parlament gesessen hatte, eigentlich aber aus der nationalistischen Rechten kommt, wurde am Dienstagmorgen in ihrem Ferienhaus in Bodrum festgenommen und heute dem Staatsanwalt vorgeführt. Bülent Mumay war Dienstagabend an der Reihe, obwohl er bereits vorher öffentlich verkündet hatte, er werde am Mittwochmorgen von sich aus zur Staatsanwaltschaft gehen und eine Aussage machen.
Mumay hat nichts mit Gülen zu tun
Anders als die anderen festgenommenen Journalisten und Kolumnisten hatte Mumay nie etwas mit der Gülen-Bewegung zu tun. Im Gegenteil – in verschiedenen Interviews am Dienstag betonte er noch einmal, dass er sich in seinem ganzen Berufsleben immer gegen klandestine Bewegungen wie die „Cemaat“, die türkische Bezeichnung für die Gülen-Sekte, gewandt habe.
In der Tat ist Bülent Mumay, der noch Anfang Mai eine Kolumne und vor wenigen Tagen ein Interview zur Pressefreiheit in der Türkei in der taz veröffentlicht hatte, ein bekannter linksliberaler Journalist, der während des Gezi-Aufstandes gegen Erdogan im Sommer 2013 scharf gegen die Repression der AKP-Regierung Stellung bezog. Bülent Mumay hat insgesamt 18 Jahre innerhalb des Medienhauses des „Dogan Konzern“ gearbeitet und dort wesentlich am Aufbau der digitalen Sparte mitgearbeitet. Er ist für seine journalistische Arbeit auch international ausgezeichnet worden und wurde 2014 in den Vorstand der „International News Media Assoziation“ gewählt.
Nachdem er durch seine Artikel während der Gezi-Proteste den Ärger Erdogans und der Regierung auf sich gezogen hatte, wurde er in regierungsnahen Zeitungen zunächst als „Cemaat“-Mann denunziert, später setzte ihn die Zeitung Star auf eine „Wanted-Liste“ unliebsamer Journalisten und forderte vom Besitzer des Dogan-Konzerns, Aydin Dogan, die Entlassung von Bülent Mumay.
Nach dem Wahlsieg von Erdogan und seiner AKP im November 2015 legte ihm die Chefredaktion von Hürriyet dann nahe, seinen Hut zu nehmen. Bülent Mumay war zu der Zeit Chef von Hürriyet Online und verantwortlich für den gesamten digitalen Auftritt der Dogan-Medien. Zuletzt hatte sich Bülent Mumay stark für den Cumhuriyet-Chefredakteur Can Dündar und dessen Kollegen Erdem Gül engagiert, welche wegen einer Enthüllungsgeschichte über illegale Waffentransporte des Geheimdienstes nach Syrien verurteilt worden waren. Can Dündar und Erdem Gül sind noch auf freiem Fuß, weil sie gegen das Urteil Berufung eingelegt haben.
Can Dündar hatte schon vor dem Putschversuch die Türkei verlassen, weil er mit dem Tode bedroht wurde. Bülent Mumay hatte gerade begonnen, für die linke Tageszeitung BirGün zu arbeiten, als er nun festgenommen wurde.
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