Nach dem Magath-Rauswurf: Revision der blauen Herren
Felix Magath ist nicht mehr Trainer des FC Schalke 04. Ihm werden wirtschaftliche Verfehlungen vorgeworfen. Seinem Rauswurf könnte eine juristische Schlammschlacht folgen.
GELSENKIRCHEN taz | Es war eine seltsame Prozession, die am Mittwochmorgen aus dem "Raum Libuda" in der Arena auf Schalke hinausmarschierte. Uniformierte ältere Herren in dunklen Klubanzügen, die Krawatten in Blautönen, das Klubemblem am Revers. Der elfköpfige Aufsichtsrat des Klubs hatte eine Mitteilung zu machen.
Man habe sich "einstimmig" und "mit sofortiger Wirkung vom Trainer, Manager und Vorstand Felix Magath getrennt", verkündete Gremiumschef Clemens Tönnies. Über die Hintergründe der Entlassung wolle er nichts verraten, da eine längere juristische Auseinandersetzung bevorstehe. Magath stehen bis zu seinem Vertragsende 2013 noch rund 12 Millionen Euro Gehalt zu, die Schalker sehen offenbar Möglichkeiten, diese Summe vor Gericht zu senken.
Am Nachmittag leiteten Magaths Trainerassistenten um Seppo Eichkorn das Training, während Vorstandsmitglied Horst Heldt den Bereich Sport und Kommunikation übernimmt. Heldt ist damit der neue Manager auf Schalke und mit der Suche nach einer "Top-Lösung" für den Trainerposten befasst, erläuterte Tönnies. Es gilt als wahrscheinlich, dass Ralf Rangnick den Klub übernimmt, möglicherweise schon sehr bald. Bei der Partie am Sonntag in Leverkusen wird aber wohl Eichkorn das Team betreuen.
Zu derlei sportlichen Fragen wollte Tönnies sich nicht äußern, über die Hintergründe der Magath-Trennung verriet er dann aber doch ein paar Details. Er bestätigte, dass der Mannschaftsrat um Manuel Neuer sich bei ihm über den harten Umgang Magaths beklagt habe. Tönnies hat den Trainer daraufhin zur Rede gestellt, doch "Herr Magath hat nicht viel gesagt und in seinem Tee gerührt". Geändert habe sich nichts, "es wurde immer schlimmer". Doch das war nicht ausschlaggebend für die Trennung.
Modell des Trainers und Managers in Personalunion gescheitert
Vielmehr erwähnte der Aufsichtsratschef ein "Schlüsselerlebnis, wo ich zugebe, dass ich mich um 180 Grad gedreht habe". Offenbar sind bei internen Prüfungsvorgängen Unregelmäßigkeiten aufgefallen. "Wir haben eine Revision gemacht und die Dinge nicht so vorgefunden, wie wir dachten, dass wir sie vorfinden müssten", erläuterte Tönnies. Dann gab der Fleischfabrikant wieder vor, dass alle anderen Details geheim seien, doch als jemand wissen wollte, ob sich die finanzielle Gesamtsituation des Klubs unter Magath verbessert habe (das hatte der Trainermanager immer behauptet), meinte Tönnies: "Da sprechen sie mich auf mein Schlüsselerlebnis an."
Was genau mit den erwähnten Unregelmäßigkeiten gemeint ist, blieb im Dunkeln. Klar ist, dass Magath eine negative Transferbilanz aufweist, ein Minus von weit mehr als zehn Millionen Euro steht nach eineinhalb Jahren unter dem Strich. Außerdem sind die Personalkosten gestiegen, doch diese Entwicklungen wurden vom Aufsichtsrat mitgetragen. Die wahren Gründe für die Trennung müssen anderswo liegen. Es kursiert die Theorie, dass Magath teure Spieler ohne das in der Satzung vorgeschriebene Einverständnis des Aufsichtsrats verpflichtet habe. Außerdem hält sich hartnäckig das Gerücht, Magath habe an Transfers persönlich mitverdient.
Am Mittwochvormittag sollte der 57-Jährige sich zu diesen Vorwürfen äußern, erschienen ist er nicht. Eine Teilnahme ergebe "keinen Sinn", hatte Magaths Anwalt Ralf Höcker mitgeteilt, er habe nur eine "stichwortartige Tagesordnung des Treffens" erhalten. "Wenn Herr Magath die Gelegenheit zur Aussprache erhalten soll, muss er wissen, worum es in der Sitzung überhaupt geht." Diese Wendung scheint der Auftakt zu einer juristischen Schlammschlacht zu sein.
Klar ist den Schalkern nur, dass das Modell eines Trainers und Managers in Personalunion gescheitert ist. Künftig werde es wieder "das herkömmliche und in der Bundesliga gängige Prinzip" geben, verkündete Tönnies, der Schalke wieder einmal runderneuert hat. Zu einer Ära der Ruhe hat er dem Klub nie verholfen, seit er 1994 das Amt des Aufsichtsrats übernahm. Vielleicht liegt das auch daran, dass er stets beteuert, Geheimnisse für sich zu behalten, um dann doch immer fast alles zu verraten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben