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Nach dem Gipfeltreffen in Mar-a-LagoUkraine-Diplomatie hängt am seidenen Faden

Selenskyj und Trump sind weiter uneins über einen Friedensplan. Unterdessen wirft Moskau der Ukraine einen Angriff auf Putins Residenz vor.

95 Prozent auf dem Weg zum Frieden abgearbeitet? Die Präsidenten Selenskyi und Trump in Florida am 28. Dezember Foto: Jonathan Ernst/reuters

dpa/afp/rtr/taz | Nach dem Spitzentreffen zwischen den Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Donald Trump auf dessen Landsitz Mar-a-Lago in Florida am Sonntag verhärtet Russland offenbar seine Position. Präsident Putin sagte am Montag, Russlands Armee rücke in der Ukraine „mit Selbstvertrauen vor“. Der Plan zur „Befreiung des Donbass sowie der Gebiete Saporischschja und Cherson wird gemäß dem Plan des militärischen Spezialeinsatzes in Abschnitten ausgeführt“, so Putin am Montag bei einem Treffen mit Armeekommandeuren.

Die russische Regierung wiederholte auch ihre maximalistische Forderung nach einem vollständigen Rückzug der ukrainischen Armee selbst aus den Teilen der Ostukraine, die Russland bisher nicht besetzt hat. „Die Ukraine verliert Gebiet und wird das weiterhin tun“, erklärte ein Sprecher in Moskau.

Am Montagnachmittag behauptete Russlands Außenminister Sergei Lawrow, die Ukraine habe eine Residenz Putins mit Drohnen angegriffen. 91 ukrainische Drohnen seien in der Nacht auf die Residenz Novo-Ogaryovo im Gebiet Novgorod abgeschossen worden, sagte Lawrow und kündigte Vergeltung an. „Derartige rücksichtslose Aktionen werden nicht unbeantwortet bleiben“, sagte er.

Zuvor hatte das russische Verteidigungsministerium mitgeteilt, die 91 ukrainischen Drohnen seien alle abgeschossen worden und hätten keinen Schaden angerichtet. Allerdings sei es möglich, dass Russland seine Position zu Friedensverhandlungen nun überdenke, sagte Lawrow.

Krieg in der Ukraine

Mit dem Einmarsch im 24. Februar 2022 begann der groß angelegte russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Bereits im März 2014 erfolgte die Annexion der Krim, kurz darauf entbrannte der Konflikt in den ostukrainischen Gebieten.

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Die Ukraine wies ⁠die Vorwürfe umgehend als Lüge zurück. Russland wolle mit den Anschuldigungen den Fortschritt bei ⁠den Gesprächen zwischen der Ukraine und den USA untergraben, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj. Vielmehr ‍bereite ⁠die Regierung in Moskau den ‌Boden für einen Angriff auf ukrainische Regierungsgebäude in Kyjiw vor. Die USA sollten auf die russischen ‌Drohungen entsprechend reagieren, forderte der Präsident.

Schon vorher hatte Russland keinerlei Bereitschaft zu einem Friedensprozess gezeigt. Erst am Freitag hatte Präsident Putin erneut betont, Russland könne seine Ziele in der Ukraine militärisch erreichen.

Die Angriffe gehen weiter: Eine Explosion in einem Wohnhochhaus in Kyjiw am 27. Dezember Foto: Gleb Garanich/reuters

Zentrale Streitpunkte ungelöst

In Mar-a-Lago waren die zentralen Streitpunkte zwischen der Ukraine und den USA über einen möglichen gemeinsamen Friedensplan ungelöst geblieben, aber beide Präsidenten sprachen von Fortschritten bei ihren Gesprächen. Der ukrainische Präsident erklärte am Montag auf X, man sei „einem weiteren Ergebnis sehr nahe“. Man habe jetzt ein Format für weitere Diskussionen ausgearbeitet, die hoffentlich im Januar 2026 stattfinden könnten.

Laut Selenskyj sollen sich im neuen Jahr als Erstes die nationalen Sicherheitsberater aller beteiligten westlichen Regierungen in der Ukraine treffen und Dokumente ausarbeiten, die dann einem Europa-Ukraine-Gipfel auf Ebene der Staats- und Regierungschefs vorgelegt werden. Sollte es dabei eine Einigung geben, werde es ein weiteres Treffen mit US-Präsident Trump geben. „Und danach, wenn alles Schritt für Schritt vorangeht, wird es im einen oder anderen Format ein Treffen mit den Russen geben.“

Der ukrainische Präsident machte zugleich deutlich, dass die bestehenden US-Vorschläge ihm nicht ausreichen. So dürften Sicherheitsgarantien nicht auf 15 Jahre begrenzt sein, wie offenbar von der US-Regierung vorgeschlagen. Er habe Trump gesagt, dass sein Land Garantien für einen längeren Zeitraum von „30, 40, 50 Jahren“ brauche, sagte Selenskyj. Sonst bestehe das Risiko einer erneuten russischen Aggression.

Selenskyj will internationale Truppen

Zur Absicherung einer Friedenslösung sei zudem die Stationierung internationaler Truppen in der Ukraine unabdingbar, betonte der ukrainische Präsident. Russland lehnt eine solche Stationierung bislang kategorisch ab. Die deutsche Bundesregierung sagte dazu am Montag, eine internationale Absicherung einer Friedenslösung setze unter anderem einen Friedensschluss voraus.

Das von ihm selbst in Aussicht gestellte Referendum in der Ukraine über die Annahme eines Friedensplans hänge von einem 60-tägigen Waffenstillstand seitens Russlands ab, betonte Selenskyj erneut. Sonst sei es nicht möglich, eine Volksabstimmung vorzubereiten und durchzuführen. Russland hat wiederholt einen Waffenstillstand abgelehnt, auch unmittelbar vor dem Trump-Selenskyj-Gipfel.

Ich glaube, dass wir es in ein paar Wochen wissen werden, so oder so

Donald Trump, US-Präsident

Die USA hatten im November einen 28-Punkte-Plan vorgelegt, der weitgehend die Forderungen Russlands übernahm. Daraus wurde dann auf Drängen der Ukraine und seiner europäischen Verbündeten ein 20-Punkte-Plan. Zwei Schlüsselforderungen Moskaus – der Rückzug der ukrainischen Truppen auch aus den ukrainisch kontrollierten Teilen der ostukrainischen Donbass-Region und ein rechtlich bindender Verzicht der Ukraine auf einen Nato-Beitritt – sind in dem überarbeiteten Plan nicht mehr enthalten. Vorgesehen ist stattdessen unter anderem ein Einfrieren des aktuellen Frontverlaufs. Die Ukraine würde einen Teil ihrer Truppen im Donbass im Osten des Landes zur Schaffung einer entmilitarisierten Pufferzone zurückziehen.

Die Territorialfrage ist auch zwischen Trump und Selenskyj umstritten. Im Trump-Lager wird die Weigerung der Ukraine, Gebiete kampflos zu räumen, kritisiert. „Das ist ein sehr schwieriges Thema, aber eins, das wir lösen können“, sagte Trump am Sonntagabend nach seinem Treffen mit Selenskyj. „Ich glaube, dass wir es in ein paar Wochen wissen werden, so oder so“, sagte der US-Präsident.

Wie wenig das Spitzentreffen in Florida an Neuem brachte, wurde schon bei der gemeinsamen Pressekonferenz von Trump und Selenskyj deutlich. Dort lobte der US-Präsident Russlands Präsident Wladimir Putin. Er sprach von einem „grandiosen Treffen“ mit Selenskyj und einem „exzellenten Telefongespräch“ mit Putin. 95 Prozent der Fragen seien abgearbeitet, sagte er vor Journalisten.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron kündigte für Anfang Januar ein Treffen der „Koalition der Willigen“ in Paris an. Das sind jene rund 30 Staaten, die bereit sind, sich an der Absicherung eines Friedensschlusses in der Ukraine zu beteiligen. Dabei solle der „konkrete Beitrag jedes Einzelnen“ zu den Sicherheitsgarantien für die Ukraine festgelegt werden, erklärte Macron.

Das letzte Treffen dieser Art hatte es vor zwei Wochen in Berlin gegeben. Es hatte die gemeinsame ukrainisch-europäische Position hervorgebracht, mit der Selenskyj nun in die USA fuhr. Jetzt geht das Ganze in die nächste Runde.

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