Nach dem Erdbeben in Italien: Bild der Verwüstung
Rund 5.000 Helfer suchen immer noch nach Überlebenden des Erdbebens in den italienischen Abruzzen. Derweil wird in Italien lebhaft über Ursachen und Folgen der Katastrophe debattiert.
ROM taz Einen Tag nach dem Erdbeben in L'Aquila steigen die Opferzahlen weiter unaufhaltsam an. Bis Dienstagnachmittag wurden 207 Tote gezählt. Die Rettungskräfte gaben an, dass noch gut 15 Menschen vermisst würden. Etwa 1.500 Menschen trugen Verletzungen davon, rund 17.000 Personen wurden obdachlos.
Derweil bebt die Erde in den Abruzzen ununterbrochen weiter. Starke, bis nach Rom wahrnehmbare Erdstöße führten am Dienstagvormittag in L'Aquila dazu, dass an verschiedenen Stellen Trümmerreste von zuvor beschädigten Häusern auf die Straße stürzten. Viele der stark traumatisierten Menschen wurden von Panik erfasst.
Die gesamte Altstadt bietet ein Bild der Verwüstung. L'Aquila hat neben zahlreichen alten Straßenzügen auch viele Kunstschätze aus Mittelalter und Barock zu bieten. Kaum eines dieser Monumente ist unbeschadet geblieben.
So stürzten in der Kirche Santa Maria di Collemegno große Teile des Dachs über dem Hauptschiff ein. Der Glockenturm der fast 500 Jahre alten Kirche San Bernardino brach völlig zusammen, auch der Dom und die Spanische Festung trugen schwere Schäden davon. In der Altstadt sind etwa 70 Prozent der Häuser unbewohnbar, im gesamten L'Aquila ist es die Hälfte. Der Rektor der Universität, an der 27.000 Studenten studieren, beklagte, "kein einziges Universitätsgebäude" lasse sich mehr nutzen. Auch alle anderen öffentlichen Einrichtungen sind beschädigt.
Noch härter traf es zahlreiche Dörfer in den Bergen rund um L'Aquila. In dem Ort Onna wurden fast alle Häuser völlig zerstört. Die Retter, die im Schutt verzweifelt nach Überlebenden suchen, befürchten, dass hier mehr als 40 der insgesamt 270 Einwohner umgekommen sind. In den Stunden nach dem Unglück wurden die Rettungsarbeiten zusätzlich durch heftige Unwetter erschwert. Zudem können die Einsatzkräfte oft nur mit den Händen graben, da ein Einsatz von schwerem Gerät Verschüttete in Gefahr bringen könnte. Bis Dienstag gelang die Bergung von insgesamt 150 Überlebenden aus den Trümmern der eingestürzten Gebäude.
Am Montag hatte die Regierung von Silvio Berlusconi unmittelbar nach der Katastrophe versprochen, "bis zum Abend" könne jedem der Obdachlosen "ein Dach über dem Kopf" zugesichert werden. Dieses Versprechen wurde jedoch nur zu kleinen Teilen eingehalten, auch wenn schnell etwa 4.000 Helfer, unter ihnen 1.500 Soldaten, vor Ort eintrafen. Tausende Menschen mussten bei eisiger Kälte im Freien oder in Autos übernachten. Schlafplätze in Zelten waren völlig unzureichend, und die Not wurde vorerst nur dadurch gemildert, dass viele bei Verwandten Zuflucht fanden. Für Dienstag ist jetzt aber endlich die Errichtung der dringend benötigten Zeltstädte angekündigt. Zugleich stehen über 6.000 Hotelzimmer an der abruzzischen Adriaküste zur Verfügung. Außerdem soll die in weiten Teilen der Stadt noch unterbrochene Wasserversorgung wieder in Gang gebracht werden.
Das Kabinett hatte noch am Montagabend ein erstes Hilfspaket in Höhe von 30 Millionen Euro beschlossen. Als unverbesserlicher Optimist ist Berlusconi schon einen Schritt weiter: Er redet schon über den Aufbau eines "Nuova L'Aquila", der binnen 28 Monaten geleistet werden könne. Dafür müsste die Regierung mindestens 1,3 Milliarden Euro bereitstellen - auf diese Höhe werden die Schäden geschätzt.
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