Nach dem Elfmeter für England: Kein Sommer ohne Schwalben
Mit dem Videoassistenten sollte die absolute Gerechtigkeit Einzug halten in den Fußball. Wie schön, dass es anders gekommen ist!
Bis zum vorletzten Spiel hat es gedauert bis zur ersten großen Diskussion über die Videoschiedsrichterei bei dieser EM. Wofür es die eigentlich gebe, wenn sie dann doch keine Gerechtigkeit im Fußball bringt, das war die Frage, die die Diskussion nach Englands Sieg gegen Dänemark bestimmt hat. Raheem Sterlings Schwalbe in der Verlängerung hat das Spiel entschieden. Darf das sein? Hätte der VAR nicht eingreifen müssen, nachdem Schiedsrichter Danny Makkelie auf den Elfmeterpunkt gezeigt hat? Wofür braucht es die ganze Überprüferei, wenn solche Fehlentscheidungen dann doch nicht verhindert werden? Das ist auch so eine Frage.
Regelkundler mögen einwerfen, dass da ja ein Kontakt war und es deswegen nicht total falsch war, zu pfeifen. Dann war Makkelies Entscheidung vielleicht nur zu 90 Prozent falsch. Aber sollte es wirklich einen spielentscheidenden Elfmeter geben, wenn die Entscheidung nur zu 10 Prozent richtig ist? Es sind wunderbare Diskussionen, die da geführt werden. Und es ist auch wunderbar, dass sie mit Einführung des Videoassistenten nicht ausgestorben sind.
Wie langweilig wäre doch der Fußball, wenn er ganz und gar gerecht ablaufen würde! Wie ganz und gar anders wären die Nachrufe auf Diego Maradona ausgefallen, hätte er nicht im WM-Halbfinale 1986 in Mexiko ein Tor mit der Hand Gottes erzielt? Und gäbe es die schöne Fußballrivalität der Deutschen mit den Niederlanden überhaupt, wenn sich Bernd Hölzenbein im WM-Finale von 1974 nicht so schön in den Strafraum geworfen und so der DFB-Elf den Ausgleich durch Elfmeter ermöglicht hätte?
Die schönsten Schwalben der letzten Jahrzehnte
Schwalben sind das Salz in der Suppe der Fußballgourmets. Es ginge schon auch ohne. Aber so richtig schmecken würde das kaum jemandem. Arjen Robben hat großartige Fußballspiele hingelegt. Aber was wäre ein Abend mit einer Diskussion über ihn, in dem es nicht auch um seine Liebe zum gezielten Hechtsprung in den Strafraum geht? Da könnte man ja gleich über Toni Kroos diskutieren.
Neymar. Was ist gelacht worden über seine Rollen seitwärts nach leichten Berührungen durch den Gegner? Und wie großartig ist es eigentlich, dass Ciro Immobile sogar von seinen eigenen Mitspielern verlacht wird, weil er im EM-Spiel der Italiener neulich gegen Belgien zu Boden sank, als haben man ihn niedergeschossen.
Raheem Sterling ist ein großartiger Fußballer. Seine Schwalbe hat England den Finaleinzug beschert. Und der Fußballwelt mindestens einen Abend voller hitziger Diskussionen. Was will man mehr?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül