Nach dem EU-Gipfel: Sarkozys schlechte Werte
Nach dem EU-Gipfel steht Nicolas Sarkozy noch stärker in der Kritik als zuvor. Jetzt ist nämlich klar, dass Deutschland auch ohne Frankreich dirigieren kann.
PARIS taz | Mit einem Gemisch aus Erstaunen, Empörung und Resignation hat Frankreich zur Kenntnis genommen, dass in dem deutsch-französischen Führungsduo, das bisher in der EU den Ton angab, Deutschland auch ohne oder sogar gegen Paris dirigieren kann.
Nicolas Sarkozy wollte es den französischen Banken, die stark in die Griechenlandschulden involviert sind, ersparen, ihr Eigenkapital ohne öffentliche Beteiligung weiter zu erhöhen. Doch Angela Merkel ließ ihn bei diesem Wunsch genauso abblitzen wie bei jenem, dass der Europäische Stabilitätsfonds (ESF) direkt bei der Europäischen Zentralbank Anleihen mache und schließlich institutionell in Richtung einer eigentlichen Wirtschaftsregierung für die Eurogruppe gehe.
Nein, nein und nein, lautete dazu die Antwort der deutschen Partner, die forderten, dass Griechenlands Schulden zu 50 Prozent auf Kosten der Gläubiger abgewertet werden. Als Sarkozy am Donnerstagmorgen die Ergebnisse kommentierte, stand ihm die Frustration ins Gesicht geschrieben.
Nach einem letzten "pas de deux" steht das Paar Merkel/Sarkozy, das sich persönlich nie sonderlich gut verstanden hat, kurz vor der Trennung. Neu sind nicht die Divergenzen, sondern die Selbstverständlichkeit, mit der Merkel dem französischen Präsidenten, den sie intern "Monsieur Blabla" genannt hatte, eine Abfuhr erteilt.
Und dies bleibt in dessen Land nicht unbemerkt: "Merkel setzt ein deutsches Europa durch", konstatiert La Tribune und folgert argwöhnisch, demnächst werde aus Berlin der Vorschlag folgen, den Grundvertrag der EU diesem Diktat entsprechend abzuändern.
Nicht nur Frankreichs Kreditwürdigkeit ist infrage gestellt, sondern auch Sarkozys eigene politische Autorität. Drei Viertel seiner Landsleute halten ihn und seine Krisenpolitik laut einer Umfrage in der Zeitung Libération für unfähig und ineffizient. Zudem musste er nun seinen Landsleuten am Donnerstagabend im Fernsehen eine neue und einschneidende Sparrunde ankündigen.
Zur Diskussion steht eine Mehrwertsteuer. Seine Priorität aber bleibt es, die "Triple A"-Note bei den Rating-Agenturen zu verteidigen. In Brüssel sagte er laut Canard Enchaîné: "Wenn wir die AAA-Note verlieren, bin ich erledigt."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn