Jürgen Gottschlich über den PKK-Anschlag in Ankara
: In der Wiederholungsschleife

Die jüngsten Nachrichten in der Türkei wirkten wie eine Rückkehr in die Zeit von vor knapp 10 Jahren. Damals waren Verhandlungen mit der kurdischen PKK-Guerilla über die Niederlegung der Waffen gescheitert und prompt wurde wieder geschossen, gebombt und auf offener Straße gekämpft. Seit dem Scheitern der Gespräche im Sommer 2015 lehnten die Regierungen unter Präsident Erdoğan alle Versuche kategorisch ab, den jahrzehntealten Konflikt zwischen Teilen der kurdischen Minderheit und dem Staat durch Gespräche „mit den Terroristen“ zu beenden. Wir werden sie jagen und besiegen – so das Motto von Erdoğan und seinem extrem rechten Koalitionspartner Devlet Bahçeli.

Nach der militärischen Niederlage hatte sich die kurdische Guerilla weitgehend in den Nordirak und nach Nordsyrien zurückgezogen und Terroranschläge in der Türkei unterlassen. Als es im November 2022 in Istanbul zu einem blutigen Anschlag in einer Fußgängerzone kam, bestritt die PKK vehement, dafür verantwortlich zu sein. Gut fünf Jahre lang vermied die PKK direkte Anschläge in der Türkei, auch um der kurdisch-linken HDP die legale politische Arbeit nicht noch schwerer zu machen.

Jetzt kam die Wende. Am Sonntagabend bekannte die PKK sich zu einem Anschlag auf das Innenministerium in Ankara. Die Reaktion des Staates war vorhersehbar: Luftangriffe auf PKK-Rückzugsgebiete im Nordirak, Razzien und Festnahmen in der Türkei, auch der nächste Eskalationsschritt ist absehbar. Mit Erdoğans Wiederwahl und der Bestätigung der Parlamentsmehrheit von AKP und MHP scheint die Chance auf eine politische Partizipation der nationalistischen Kurden vorbei. Jetzt sollen wohl wieder die Waffen sprechen.

Die Menschen in der Türkei kennen das seit 40 Jahren. Es ist, als stecke das Land in der Wiederholungsschleife fest. Doch Türken wie Kurden sind dieser Kämpfe müde. Angesichts der Wirtschaftskrise sind viele mit dem täglichen Überleben beschäftigt, vor allem im armen, überwiegend kurdisch besiedelten Südosten. Kein Mensch braucht diese neue Welle der Gewalt.

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