Nach dem Anschlag in Ankara: Türkei bombardiert PKK-Stellungen
Präsident Erdogan verstärkt den Kampf gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei. Bei Luftangriffen wurden zahlreiche PKK-Kämpfer getötet.
Die türkische Regierung vermutet die PKK hinter dem Selbstmordanschlag vom Sonntag in der Hauptstadt Ankara, bei dem mindestens 37 Menschen getötet und mehr als 120 weitere verletzt wurden. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte am Montagabend: „Es gibt sehr ernste, beinahe sichere Hinweise, die vor allem auf die separatistische Terrororganisation hindeuten.“
Bereits am Montag hatte die türkische Armee Stellungen der PKK im Nordirak bombardiert. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sprach von starken Beweisen für die Täterschaft der kurdischen Rebellengruppe. Staatschef Recep Tayyip Erdogan versprach in einer Fernsehansprache, den Kampf gegen die kurdischen Aufständischen fortzusetzen.
Wenige Stunden nach dem Anschlag bombardierten Kampfflugzeuge PKK-Stellungen im bergigen Nordirak, wie die Armee mitteilte. Ein Rebellensprecher bestätigte die Angriffe. Die PKK, die die Türkei und viele andere Länder als Terrororganisation einstufen, nutzt die irakischen Kandil-Berge seit langem als Rückzugsraum. Früher kämpfte sie für einen unabhängigen kurdischen Staat, heute für mehr Autonomie.
Nach Regierungsangaben riss eine Selbstmordattentäterin bei dem Anschlag am Sonntagabend mindestens 36 Menschen mit in den Tod und verletzte 125 weitere. Zu den Opfern des Bombenattentats an einer belebten Bushaltestelle am Kizilay-Platz in der Nähe des Regierungsviertels gehörten viele Studierende und Schüler. Am Montag wurden in Ankara die ersten Opfer des Anschlags beigesetzt.
Regierung vermutet PKK hinter dem Anschlag
Zu dem Anschlag bekannte sich zunächst niemand, doch sagte ein Behördenvertreter, offenbar sei er von einer Frau mit PKK-Verbindungen verübt worden. Medienberichten zufolge handelte es sich bei der Attentäterin um eine 24-jährige Studentin, die in einem Prozess wegen PKK-Mitgliedschaft angeklagt war, sich jedoch für die Dauer des Verfahrens auf freiem Fuß befand.
Davutoglu sagte, es gebe „ernsthafte, fast sichere Erkenntnisse“ für die Täterschaft der PKK. Bisher seien elf Verdächtige festgenommen worden. Erdogan rief in seiner Rede alle Verbündeten auf, die Unterstützung für syrische Kurdengruppen zu kappen. Ankara sieht diese als Schwesterorganisationen der PKK an. „Diejenigen in der Türkei und im Ausland, die meinen, sie könnten uns einen Preis bezahlen lassen, werden selbst den wirklichen Preis zahlen“, warnte Erdogan.
In Istanbul gingen dutzende linke Demonstranten aus Protest gegen den Umgang der Regierung mit dem Attentat auf die Straße. Die Polizei löste die Kundgebung unter Einsatz von Tränengas, Gummigeschossen und Wasserwerfern auf.
Die US-Botschaft hatte am Freitag vor einem drohenden Anschlag im Zentrum Ankaras gewarnt und US-Bürger geraten, das Gebiet zu meiden. Der Onkel eines der Opfer beklagte, es habe seit über einer Woche Hinweise auf einen neuen Anschlag gegeben, doch habe die Regierung nichts unternommen. „Wir haben große Angst, weil die Regierung sich nicht um die Menschen dieses Landes kümmert“, sagte Nihat Gorgulu.
Kritik der Opposition
Der Oppositionsführer Kemal Kiliçdaroglu kritisierte, die Regierung habe keinen neuen Polizeichef für Ankara ernannt, nachdem der alte nach einem Anschlag im Oktober entlassen worden war. „Wir verdienen nicht diese inakzeptable Situation, in der Eltern ihre Kinder beerdigen. Die Türkei wird nicht gut regiert, doch einige Leute verschließen die Augen“, sagte der Vorsitzende der Republikanischen Volkspartei (CHP).
Im vergangenen Oktober waren bei einem Selbstmordanschlag auf eine prokurdische Friedensdemonstration in Ankara 103 Menschen getötet worden. Die Regierung machte dafür die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) verantwortlich. Die Demonstranten hatten der Regierung unter anderem vorgeworfen, nicht entschieden genug gegen die Dschihadisten in Syrien vorzugehen.
Mitte Februar wurden dann nahe dem Kizilay-Platz bei einem Bombenanschlag auf Militärbusse 29 Menschen getötet. Zu dem Anschlag bekannte sich die Gruppe Freiheitsfalken Kurdistans (TAK), die der PKK nahesteht. Hintergrund des Anschlags war das harte Vorgehen der Armee gegen Kurden im Südosten des Landes.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen