Nach dem 6:0 in Wien: Sehr viel Womanpower
Das deutsche Nationalteam der Frauen scheint glänzend auf die EM vorbereitet zu sein. Kleinere Baustellen gibt es aber.
An einem lauschigen Dienstagabend im frühsommerlichen Wien jedenfalls zeigte sich schon bei den Aufwärmübungen, dass die Deutschen an diesem Tag on fire waren. Tatsächlich ging es schon so früh los, dass sich Team Österreich bis zur Pause nicht mehr erholen konnte. Sydney Lohmann schloss gleich den ersten Angriff nach nicht einmal 20 Sekunden mit einem Tor ab; Lea Schüller, Selina Cerci, Klara Bühl, noch einmal Lohmann und zum Schluss der ersten Halbzeit Laura Freigang erhöhten auf den Endstand, der schon mit der Halbzeitpause Bestand hatte.
Die Deutschen brillierten in Sachen Effizienz und Durchsetzungsvermögen vor allem im Spiel nach vorne; die Anzahl der Torschützinnen zeigt auch auf, dass es nicht an Varianz und Breite fehlt. Erster kleiner Kritikpunkt: Vornehmlich lief nahezu jeder Angriff über links, und das, obwohl auf rechts Giulia Gwinn stand, sonst immer ein Quell guter Laune und frischer Offensivpower. Am Dienstagabend lief fast alles an Gwinn vorbei, wofür sie selbst wahrscheinlich am wenigsten konnte: Coach Christian Wück und sein Team hatten die Schwächen der Österreicherinnen ausgeguckt und sich für links entschieden. Gwinn blieb zur Pause in der Kabine.
Aber da war eh schon alles gelaufen. Die Deutschen verlegten sich in Halbzeit zwei aufs Verwalten; Österreich war darum bemüht, den „Totalausfall“, die „Katastrophe“ (O-Ton ORF) nicht noch katastrophaler ausufern zu lassen.
Dabei hatten sie sogar schon in Durchgang 1 durchaus ihre Möglichkeiten. Sie bemühten sich durchgehend um den Anschluss, konnten ihre Chancechen aber nicht verwerten. Zeigten aber hier und da auf, dass auch die deutsche Abwehr nicht unverwundbar ist – das könnte durchaus noch eine Baustelle bis zur EM sein, die für den DFB am 4. Juli in St. Gallen gegen Polen beginnt. Besonders Torfrau Ann-Katrin Berger zeigte in zwei bis drei Situationen, dass es an Feinabstimmung mit ihren Vorderleuten noch mangelt.
Oberdorf nicht dabei
Nun gut, bis zur EM ist noch erstaunlich viel Zeit. Warum der DFB sich nicht noch um ein oder zwei Testspiele bemüht hat, bleibt ein Rätsel. Eines ist aber schon klar: Lena Oberdorf, die im Kader stand, aber nicht eingewechselt wurde, wird nicht mit in die Schweiz fahren. Das erklärte Wück einen Tag nach dem Spiel. Die mangelnde Spielpraxis nach der einjährigen Verletzungspause spricht gegen sie. Und das DFB-Team hat in Wien gezeigt, dass es auch ohne die Starspielerin vom FC Bayern gehen kann. Elisa Senß und besonders Sydney Lohmann, die im Jahr 2000 geboren wurde, als die Olympischen Spiele in Australien anstanden, überzeugten mit starkem Umschaltspiel und guter Durchsetzungsfähigkeit.
So oder so: Es sah alles sehr professionell aus, was das Team um den nicht immer unumstrittenen Coach Christian Wück da zeigte. Einstellung und Spielverständnis stimmten; die Stimmung war hervorragend.
Auch ansonsten war es ein Wohlfühlmatch im Wiener Süden, auch wenn nur 5.150 Zahlende ins Stadion der Wiener Austria gekommen waren, das an diesem Abend wieder Franz-Horr-Stadion hieß oder international den hübschen Namen Viola Park tragen durfte, bevor es wieder zur Generali Arena zurückmusste. Die formidable Trikotage der beiden Teams erinnerte an die goldenen Zeiten der 1970er Jahre, und die überfreundliche Atmosphäre beinhaltete sogar geechote „Ganz Wien hasst die FPÖ“-Rufe, die sicher auch ihren Weg in die Fernsehübertragung gefunden haben. Also ein runder Abend in Wien, ganz besonders für die deutschen Frauen.
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