Nach Tod von Lorenz A.: Stream von Podiumsdebatte für rassistische Hetze gekapert
Anlässlich des getöteten Schwarzen Lorenz A. in Oldenburg wurde bei einer Podiumsdebatte über Rassismus in der Polizei diskutiert. Doch die Übertragung wurde gekapert.

Es war nach Lorenz’ Tod das erste Angebot dieser Art in Oldenburg. Die Veranstaltung im großen Saal des „Cine K“ war schon Tage vorher ausgebucht, weshalb die Organisator:innen sie zusätzlich live im Internet streamen wollten. Jedoch: Der Beginn der Veranstaltung musste um einige Minuten verschoben werden. Die meisten Besucher:innen vor Ort gingen von einer einfachen technischen Störung aus. Die vier Panel-Teilnehmer:innen, alle selbst Schwarz oder People of Color, und die ersten Reihen konnten jedoch hören, was der Grund für die Verzögerung war.
Ein Unbekannter hatte den Stream gekapert. Er spielte über den Laptop, der die Veranstaltung übertrug, wiederholt das N-Wort, rassistische Audiobotschaften und pornografische Inhalte ab.
„Dieser Vorfall war ein rassistisch motivierter Angriff. Einer von vielen, die zeigen, wie massiv Menschen, die Rassismus benennen und bekämpfen, unter Druck gesetzt und attackiert werden – selbst dann, wenn es um den gewaltsamen Tod eines jungen Schwarzen Mannes geht“, sagt Suraj Mailitafi von der Initiative „Gerechtigkeit für Lorenz“ am Tag danach. Er war Teil des Panels.
Weitere Debatten sollen folgen
Der Angreifer habe laut Mailitafi das klare Ziel gehabt, „zu sabotieren, zu entwürdigen, zu traumatisieren.“ Der Angriff zeige, dass die Auseinandersetzung mit institutionellem Rassismus in Deutschland nicht nur ignoriert, sondern aktiv behindert wird. Genau deshalb habe Mailitafi sich nicht einschüchtern lassen: „Wenn wir nicht sprechen, spricht niemand für uns. Wenn wir schweigen, bleibt das System unverändert.“
„Der rassistische Angriff auf unseren Livestream war ein gezielter Versuch, eine wichtige Diskussion zu unterbrechen und zu delegitimieren“, sagte die Landtagsabgeordnete der Grünen, Lena Nzume, die ebenfalls Teil des Panels war. „Dass ausgerechnet eine Veranstaltung über Rassismus auf diese Weise sabotiert wird, zeigt, wie notwendig diese Debatte ist.“
Der gezielte Versuch, Betroffene zum Schweigen zu bringen – „Silencing“ – sei Teil des Rassismus-Problems. „Wir haben weitergemacht. Und wir hoffen, dass dies der Auftakt für eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung ist – denn nur durch die Anerkennung und den Abbau von Rassismus, besonders in staatlichen Institutionen, kann Vertrauen wiederhergestellt werden“, sagte Nzume.
„So absurd wie erbärmlich“, ist das knappe Fazit von Panel-Teilnehmer Jeff Kwasi Klein, der schon zum Umgang der Polizei mit Schwaren Menschen geforscht hat. „Wir haben trotzdem gesprochen.“
Rassistische Einstellungen in der Polizei
Tatsächlich haben die meisten im Saal von dem rassistischen Angriff nichts mitbekommen. Nach der kurzen Verzögerung und einer technischen Umstellung konnte die Veranstaltung wie geplant mit Livestream beginnen.
Die Professorin für Sozialpädagogik Ayça Polat war die vierte Teilnehmerin des Panels. Alle vier waren sich einig: Es gebe kein Erkenntnisdefizit über rassistische Einstellungen in der Polizei, auch die Studienlage sei inzwischen eindeutig. Lösungsvorschläge, wie etwa unabhängige Beschwerdestellen oder verpflichtende rassismuskritische Fortbildungen, seien seit Jahren bekannt.
Die Schwierigkeit sei, diese Erkenntnisse in der Polizei mit der Politik umzusetzen. Das liege daran, dass weiterhin viele Verantwortliche die Existenz von Rassismus leugnen und jede Kritik als „Vorverurteilung“ abwehren würden.
Ein wichtiges Mittel dagegen sei gesellschaftlicher Druck und ein öffentlicher Diskurs. Den hat die Podiumsdiskussion angestoßen, Folgeveranstaltungen sind schon in Planung.
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