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Nach Tod von Lorenz A.Stream von Podiumsdebatte für rassistische Hetze gekapert

Anlässlich des getöteten Schwarzen Lorenz A. in Oldenburg wurde bei einer Podiumsdebatte über Rassismus in der Polizei diskutiert. Doch die Übertragung wurde gekapert.

Der Kampf geht weiter: Kundgebung nach den tödlichen Polizeischüssen auf Lorenz A. Ende April Foto: Izabela Mittwollen/dpa

Oldenburg taz | Mehr als ein Monat ist die Erschießung von Lorenz A. durch einen Polizisten her, doch das Interesse in Oldenburg, sich mit dem Fall und der dadurch ausgelösten Debatte über Rassismus in der Polizei auseinanderzusetzen, bleibt groß: Ein Bündnis aus mehreren Organisationen hat am Dienstagabend zu einer Podiumsdiskussion über institutionellen Rassismus in Polizei und Justiz eingeladen – der zunächst von einer rassistischen Attacke auf die Veranstaltung überschattet war.

Es war nach Lorenz’ Tod das erste Angebot dieser Art in Oldenburg. Die Veranstaltung im großen Saal des „Cine K“ war schon Tage vorher ausgebucht, weshalb die Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen sie zusätzlich live im Internet streamen wollten. Jedoch: Der Beginn der Veranstaltung musste um einige Minuten verschoben werden. Die meisten Be­su­che­r:in­nen vor Ort gingen von einer einfachen technischen Störung aus. Die vier Panel-Teilnehmer:innen, alle selbst Schwarz oder People of Color, und die ersten Reihen konnten jedoch hören, was der Grund für die Verzögerung war.

Ein Unbekannter hatte den Stream gekapert. Er spielte über den Laptop, der die Veranstaltung übertrug, wiederholt das N-Wort, rassistische Audiobotschaften und pornografische Inhalte ab.

„Dieser Vorfall war ein rassistisch motivierter Angriff. Einer von vielen, die zeigen, wie massiv Menschen, die Rassismus benennen und bekämpfen, unter Druck gesetzt und attackiert werden – selbst dann, wenn es um den gewaltsamen Tod eines jungen Schwarzen Mannes geht“, sagt Suraj Mailitafi von der Initiative „Gerechtigkeit für Lorenz“ am Tag danach. Er war Teil des Panels.

Weitere Debatten sollen folgen

Der Angreifer habe laut Mailitafi das klare Ziel gehabt, „zu sabotieren, zu entwürdigen, zu traumatisieren.“ Der Angriff zeige, dass die Auseinandersetzung mit institutionellem Rassismus in Deutschland nicht nur ignoriert, sondern aktiv behindert wird. Genau deshalb habe Mailitafi sich nicht einschüchtern lassen: „Wenn wir nicht sprechen, spricht niemand für uns. Wenn wir schweigen, bleibt das System unverändert.“

„Der rassistische Angriff auf unseren Livestream war ein gezielter Versuch, eine wichtige Diskussion zu unterbrechen und zu delegitimieren“, sagte die Landtagsabgeordnete der Grünen, Lena Nzume, die ebenfalls Teil des Panels war. „Dass ausgerechnet eine Veranstaltung über Rassismus auf diese Weise sabotiert wird, zeigt, wie notwendig diese Debatte ist.“

Der gezielte Versuch, Betroffene zum Schweigen zu bringen – „Silencing“ – sei Teil des Rassismus-Problems. „Wir haben weitergemacht. Und wir hoffen, dass dies der Auftakt für eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung ist – denn nur durch die Anerkennung und den Abbau von Rassismus, besonders in staatlichen Institutionen, kann Vertrauen wiederhergestellt werden“, sagte Nzume.

„So absurd wie erbärmlich“, ist das knappe Fazit von Panel-Teilnehmer Jeff Kwasi Klein, der schon zum Umgang der Polizei mit Schwaren Menschen geforscht hat. „Wir haben trotzdem gesprochen.“

Rassistische Einstellungen in der Polizei

Tatsächlich haben die meisten im Saal von dem rassistischen Angriff nichts mitbekommen. Nach der kurzen Verzögerung und einer technischen Umstellung konnte die Veranstaltung wie geplant mit Livestream beginnen.

Die Professorin für Sozialpädagogik Ayça Polat war die vierte Teilnehmerin des Panels. Alle vier waren sich einig: Es gebe kein Erkenntnisdefizit über rassistische Einstellungen in der Polizei, auch die Studienlage sei inzwischen eindeutig. Lösungsvorschläge, wie etwa unabhängige Beschwerdestellen oder verpflichtende rassismuskritische Fortbildungen, seien seit Jahren bekannt.

Die Schwierigkeit sei, diese Erkenntnisse in der Polizei mit der Politik umzusetzen. Das liege daran, dass weiterhin viele Verantwortliche die Existenz von Rassismus leugnen und jede Kritik als „Vorverurteilung“ abwehren würden.

Ein wichtiges Mittel dagegen sei gesellschaftlicher Druck und ein öffentlicher Diskurs. Den hat die Podiumsdiskussion angestoßen, Folgeveranstaltungen sind schon in Planung.

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5 Kommentare

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  • Wie sagen Politiker und Polizeigewerkschaften immer so schön wer sich nix zu schuld kommen lässt braucht keine Angst haben.



    Warum haben dann Politiker und Polizei so viel Angst von unabhängigen Ermittlungstellen?

  • "Die Schwierigkeit sei, (...) dass weiterhin viele Verantwortliche die Existenz von Rassismus leugnen (...) Ein wichtiges Mittel dagegen sei gesellschaftlicher Druck und ein öffentlicher Diskurs. Den hat die Podiumsdiskussion angestoßen"



    Um das beurteilen zu können, wäre es ganz nützlich wenn der Artikel Auskunft geben würde, wer da so als Zuschauer in dem Kinosaal zugegen war und wieviele 🤷‍♂️



    Denn die Angabe, dass alle "vier Panel-Teilnehmer:innen (...) selbst Schwarz oder People of Color" waren, hört sich eher nach einem Event aus der Bubble für die Bubble an - sorry.



    Gesellschaftlicher Druck und öffentlicher Diskurs benötigt eine breite Masse quer durch möglichst verschiedene Gesellschaftsschichten als Grundlage - insofern wäre es eben schon sinnvoll über die Publikumszusammensetzung mehr zu erfahren, weil wenn da wie auf dem Podium nur Schwarze oder POC saßen (und vielleicht noch ein paar Linke), dann spricht das eher fürs genaue Gegenteil, als dass "das Interesse in Oldenburg, sich mit dem Fall und der dadurch ausgelösten Debatte über Rassismus in der Polizei auseinanderzusetzen" groß sei...

    • @Farang:

      Zumindest, so kann man dem Artikel entnehmen, war der große saal des Cine K, von interessierten Mitmenschen restlos ausgebucht.



      Ansonsten kann ich als Oldenburger nur bestätigen, die Debatte über Rassismus, die es in Oldenburg vor der Tötung von Lorenz öffentlich so nicht gab, ist sehr präsent.

  • Was man zur gesellschaftlichen Lage dieser Debatte sagen kann, ist, dass alle (inklusive der TAZ Leserschaft) sich lieber ueber den Pulli einer Gruenen- Politikerin aufregen. R. Wendt, der Chef der Polizeigewerkschaft beipflichten, der sie als "wohlstandsverwahrlost" und anti-demokratisch bezeichnet hatte, steht nicht im Fokus der Debatte.

    Interessanterweise berichtete der Spiegel in der Vergangenheit, dass Wendt sehr enge Kontakte zur anti-demokratischen AFD pflegt und der sächsischen AFD sogar einen offiziellen Besuch abstattet: www.spiegel.de/spi...ten-a-1115723.html

    Somit verkörpert er exakt das Problem, auf das die Grünen- Politikerin aufmerksam machen wollte. Die Polizei ist hierarchisch autoritär strukturiert- wenn mehrere im Führungspersonal Nähe zu verfassungsfeindlichen Kraeften pflegen und rechtsradikale Inhalte normalisieren, hat das weitreichende Signalwirkung auf die unteren Ränge und das Handeln im Dienst.

    Das Problem wird mit verordneten "Schulungen" nicht mehr einzufangen sein. Wenigstens fallen jetzt so langsam alle Masken.

    • @apfel saft:

      Also als Oldenburger Bürger kann ich Sie beruhigen, es vergeht kaum ein Tag wo die Tötung von Lorenz durch einen Polizisten nicht Gesprächsthema ist. Ob mit Geschäftsfreunde, im Bekannten und Freundeskreis, auf dem Wochenmarktbesuch, beim Sport oder im Restaurant. Viele Mitmenschen warten mit Spannung auf die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft und die daraus folgenden Konsequenzen.