Nach Streik der Gefängniswärter: Belgiens Soldaten springen ein
In vielen belgischen Gefängnissen geht so gut wie gar nichts mehr. Häftlinge begehren auf, denn ihre Aufseher streiken. Nun sollen Soldaten aushelfen.
Der seit zwei Wochen andauernde Wärterstreik wirke sich immer stärker auf den Haftalltag der Gefangenen aus, berichten belgische Medien. „Es gibt keine Duschen, keine Kantine, keinen Tabak. Das Wasser wurde in den Zellen abgedreht, nachdem mehrere Häftlinge sie überflutet hatten“, sagte ein Gefangener aus dem Gefängnis von Andenne dem belgischen Sender RTBF. Wegen Personalnot wurden die täglichen Spaziergänge und Besuche gestrichen, Insassen konnten ihre Anwälte nicht sehen. Selbst Essen soll teilweise nur unregelmäßig ausgegeben worden sein.
Die Soldaten sollen nun zumindest eine Mindestversorgung gewährleisten, allerdings nicht mit Inhaftierten direkt in Kontakt treten. Dabei sieht die Militärgewerkschaft die belgische Armee wegen der angespannten Sicherheitslage im Land in diesen Tagen schon bis zum Anschlag belastet. Gut anderthalb Monate nach den Terroranschlägen in Brüssel patrouillieren noch immer Soldaten mit Maschinengewehren vor EU-Einrichtungen. Die Präsenz des Militärs ist das sichtbarste Zeichen der zweithöchsten Sicherheitsstufe im Land. Ausgerechnet in dieser angespannten Lage ist ein weiterer Brandherd hinzugekommen.
Nach einer Entscheidung der Regierung sollen 180 Soldaten in mehreren Gefängnissen aushelfen, um dort die Ordnung wieder herzustellen. Wie lang der Einsatz dauert, war zunächst offen. Die Soldaten gehören zu einer Einheit, die sonst über die Sicherheit in Städten wacht. Gerade deshalb kritisiert die Militärgewerkschaft das Einspringen in den Gefängnissen scharf. Sie fürchtet Überlastung und Versäumnisse im Kampf gegen den Terrorismus.
Protest gegen Sparmaßnahmen
Ende April waren Gefängniswärter in der Wallonie in den Ausstand getreten. Sie protestierten gegen Sparmaßnahmen und die aus ihrer Sicht schlechte Personalsituation. Ein erstes Angebot des Justizministers Koen Geens hatten sie abgelehnt. Geens gilt als angezählt, er hatte nach den Brüsseler Terroranschlägen mit 32 unschuldigen Todesopfern am 22. März wegen möglicher Versäumnisse bei Anti-Terror-Ermittlungen seinen Rücktritt angeboten. Premierminister Charles Michel lehnte ab.
Die miserablen Haftbedingungen in Belgien stehen seit Jahren in der Kritik. Die Zahl der Insassen ist seit 2008 um 20 Prozent gestiegen. Wegen überfüllter Gefängnisse wurden bereits in der Vergangenheit mehrere Hundert Häftlinge in leere Haftanstalten in den Niederlanden gebracht. Im Schnitt kommen in Belgien auf 100 verfügbare Plätze 123 Häftlinge – im europäischen Vergleich liegt das Land damit auf den hinteren Plätzen.
Amnesty International berichtete zuletzt von „mangelhaften“ Haftbedingungen. Vor allem Häftlinge mit psychischen Erkrankungen seien „unter unzureichenden Bedingungen festgehalten“ worden und hätten nicht die notwendige medizinische Versorgung erhalten.
Andere sehen die belgischen Gefängnisse vor allem als unzureichend gerüstet für die Unterbringung von verurteilten Terroristen und Terrorverdächtigen, von denen zurzeit mehrere hinter Gittern sitzen. So war in dem vom Streik ebenfalls betroffenen Gefängnis Brüssel-Forest zeitweise auch der mutmaßliche Attentäter Mohamed Abrini untergebracht, der als sogenannter „Mann mit Hut“ an den Brüsseler Anschlägen beteiligt gewesen und auch bei den Anschlägen von Paris am 13. November mit 130 Toten eine Rolle gespielt haben soll. Gewerkschafter kritisieren, in Forest gebe es weder Einzelzellen, um Terroristen abgeschottet unterzubringen, noch sei das nötige Personal vorhanden.
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