Nach Spitzelaffären bei Lidl, Telekom & Co.: Datenschutz soll ins Grundgesetz
Bislang existiert das Recht auf Datenschutz nur durch zwei Urteile des Bundesverfassungsgerichts. Die Grünen wollen den Datenschutz nun in der Verfassung verankern.
BERLIN taz Die Grünen wollen den Datenschutz im Grundgesetz verankern. Das sieht ein Gesetzentwurf der Bundestagsfraktion vor, der der taz vorliegt. Vier der 19 Grundrechtsartikel sollen demnach ergänzt werden, um "persönliche Daten", "Informationsfreiheit", "informationstechnische Systeme" und den "Kernbereich privater Lebensgestaltung" zu schützen. Am Dienstag will die Fraktion den Entwurf beschließen. Noch vor der Sommerpause soll er in den Bundestag eingebracht werden.
"Nicht das Bundesverfassungsgericht, sondern das Parlament ist Verfassungsgeber - auch beim Datenschutz", begründete die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Silke Stokar, den Vorstoß. "Wir wollen klarstellen, dass die Verfassung auch für die Privatwirtschaft gelten muss", erklärte sie mit Blick auf die jüngsten Datenskandale. Auch der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, beklagte einen fehlenden Respekt von Unternehmen und Polizei vor privaten Daten. Deshalb müsse die "Hoheit des Bürgers gestärkt" werden.
Die Grünen positionieren sich damit frühzeitig auf einem Feld, das im Bundestagswahlkampf 2009 eine wichtige Rolle einnehmen dürfte. Seit den Spitzelskandalen bei Lidl, Burger King und Telekom ist die Debatte um Sinn und Zweck der Speicherung von privaten Daten neu entbrannt. Die wachsende Besorgnis in der Bevölkerung vor schrankenlosem Datenzugriff von Staat und Wirtschaft wollen die Grünen nun offenbar nutzen.
Bislang gibt es lediglich durch zwei Urteile des Bundesverfassungsgerichts zwei Datenschutz-Grundrechte: Im Jahr 1983 proklamierte das Gericht in Karlsruhe im Volkszählungsurteil, dass jeder Deutsche grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten entscheiden darf. Im Februar 2008 schuf Karlsruhe nach einer Verhandlung zur Online-Durchsuchung das sogenannte Computer-Grundrecht, welches den Inhalt von Festplatten zum Teil der eigenen Persönlichkeit erklärt und deshalb unter besonderen Schutz stellt. Beides steht nicht in der Verfassung, sondern ist nur aus ihr abgeleitet.
Unterstützung für die Idee der Grünen deutet sich bei den Sozialdemokraten an. "Ich bin prinzipiell offen für einen solchen Vorschlag", sagt etwa der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy. Sein Kollege Dieter Wiefelspütz reklamiert den Vorschlag gar als SPD-Idee, bisher sei seiner Partei allerdings noch "keine knackige Formulierung eingefallen, welche der knappen Form des Grundgesetzes gerecht wird". Die SPD-Innenpolitiker glauben allerdings nicht an weitere Verfassungsänderungen noch in dieser Legislaturperiode. Dafür stünde die Union nicht zur Verfügung, sagt Edathy. Wiefelspütz glaubt, man befinde sich "erst am Anfang einer langen Diskussion".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!