Nach Skiunfall: Kritik an Althaus-Blitzurteil
Beobachter rätseln, wie das Urteil über Thüringens Ministerpräsident in Österreich zustande kam. Nun hat Althaus nur noch wenig Zeit, über seine Zukunft zu entscheiden.
Das Blitzurteil im Fall des Thüringer Ministerpräsidenten Dieter Althaus in Österreich hat unter Politikern und Juristen für Verwunderung gesorgt. Dabei geht es nicht um das Strafmaß, sondern um die Umstände des Verfahrens. Der Vizepräsident der deutsch-österreichischen Juristenvereinigung, Bernd Wölfl, fand es "außergewöhnlich, dass die Angelegenheit so schnell über die Bühne gegangen ist". Richard Soyer, Sprecher der österreichischen Strafverteidiger, sprach von einer "keineswegs üblichen Vorgangsweise". Sogar Jürgen Gehb, rechtspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, platziert das Tempo der Urteilsverkündung ins "Guinness-Buch der Rekorde".
Althaus war nach nur knapp einstündiger Verhandlung am Dienstag wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 33.000 Euro und zu einer Schadenersatzleistung von 5.000 Euro an die betroffene Familie verurteilt worden. Althaus war am Neujahrstag in Gegenrichtung auf eine Skipiste eingebogen und dort mit der Slowenin Beata C. zusammengestoßen, die an den Unfallfolgen verstarb.
Walter Kreissl, Verteidiger des nach wie vor in einer Rehaklinik am Bodensee weilenden Althaus, hatte erst um 13.30 Uhr das Eilverfahren beantragt. Dem wurde sofort entsprochen, nachdem Althaus sich schriftlich zu seiner Verantwortung bekannt hatte. Erst am Montag war die Anklageerhebung gegen ihn bekannt geworden. Offenbar wollte die österreichische Justiz das Verfahren ohne größeren Medienrummel vom Tisch haben.
Bernd Wölfl von der Juristenvereinigung beider Länder vermutet, dass zuvor Absprachen zwischen den Prozessbeteiligten getroffen wurden. Das Tempo habe "sicherlich auch damit etwas zu tun, dass Herr Althaus Ministerpräsident ist". Auch der aussichtsreichste Gegenkandidat von Althaus im Landtagswahlkampf, Bodo Ramelow von der Linkspartei, fragt, ob die Justiz bei normalen Bürgern ebenso gehandelt hätte. Er wolle aber die seltsamen Verfahrensumstände nicht Althaus anlasten.
Der CDU und der Thüringer Staatskanzlei kommt das schnelle Urteil entgegen. Landtags-Fraktionschef Mike Mohring begrüßte die schnelle Entscheidung und erklärte erneut, man werde Althaus auf der Landesvertreterversammlung am 14. März zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl Ende August nominieren. Auch Landtagspräsidentin Dagmar Schipanski stellte sich erneut hinter Althaus. Doch die Thüringer Union setzt ihren Frontmann damit auch unter Druck. Althaus hat zwar selbst die Absicht bekundet, wieder in die Politik zurückzukehren, aber zwei Fragen bleiben offen: Wie reagieren die Wähler auf das Urteil? Und wird Althaus rechtzeitig für den Wahlkampf fit sein?
Laut Bundesjustizministerium gilt Althaus nach dem Urteil auch in Deutschland als vorbestraft. Heiko Senebald, Sprecher des CDU-Landesverbandes, verweist zwar auf die guten Prognosen der Ärzte hinsichtlich seiner physischen Wiederherstellung, die psychische Verfassung allerdings könne niemand beurteilen. "Der Einzige, der über seine Rückkehr entscheiden kann, ist Althaus selbst", sagte Senebald. Im Grunde habe Althaus nur noch bis zur Landesvertreterversammlung Zeit, zu erklären, ob er antrete, meint Dietmar Herz, Politikwissenschaftler an der Universität Erfurt. Doch seiner Meinung nach sei Althaus derzeit gar nicht in der Lage, eine eindeutige Entscheidung zu treffen. Herz macht darauf aufmerksam, dass Althaus zunächst persönlich zum Parteitag kommen, dann eine Videobotschaft senden wollte und schließlich nur noch die schriftliche Listenbewerbung verfassen solle. Herz Prognose: "Althaus wird vermutlich das Handtuch werfen."
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