Nach Schweizer Volksabstimmung: Wider die Gier
Nach dem Schweizer Votum gegen Gehaltsexzesse für Spitzenmanager fordern auch deutsche Politiker eine neue Diskussion über Gehaltsgrenzen. Das Klima habe sich verändert.
BERLIN dpa/afp | Das „Ja“ der Schweizer zur Regulierung der Millionengehälter von Managern hat auch die Debatte in Deutschland neu entfacht. „Dass ein DAX-Vorstand 54 mal so viel verdient wie ein Angestellter, ist sachlich durch nichts als Gier zu begründen“, sagte Linken-Parteichefin Katja Kipping den Zeitungen der WAZ-Gruppe.
Grünen-Finanzpolitiker Gerhard Schick forderte: „Die schwarz-gelbe Koalition in Berlin sollte dieses Signal ernst nehmen. Wir brauchen auch in Deutschland stärkere Regeln gegen Gehaltsexzesse“.
In der Union wurde das Schweizer Votum als richtungsweisend bezeichnet. Vize-Fraktionschef Michael Fuchs sagte der Berliner Zeitung: „Es ist besser, wenn die Aktionäre entscheiden als wenn sich der Staat einmischt.“ Die Aktionäre seien Miteigentümer ihres Unternehmens und hätten daher kein Interesse, ihm zu schaden. Es handele sich um ein marktwirtschaftliches Modell. Dies könnte man auch so im deutschen Aktienrecht verankern.
SPD-Fraktionsvize Joachim Poß blieb dagegen skeptisch: „Dass sogar ein Land mit liberaler Wirtschaftstradition so abstimmt, macht deutlich, dass das Klima sich wandelt“, sagte er der Berliner Zeitung. Die SPD sei allerdings weiter dafür, die Vergütung von Vorständen und die steuerliche Absetzbarkeit von deren Gehältern gesetzlich zu begrenzen. „Viele Aktionäre sind renditegetrieben.
Es geht um den Grundsatz
Das sind Investoren, Hedgefonds, deren Geschäftsmodell von den perversen Boni bestimmt wird“, sagte er zur Begründung. Zwar könne die Entwicklung in der Schweiz nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen werden, sagte Poß. Aber es gehe um den Grundsatz: „Die Menschen akzeptieren dieses perverse Boni-System nicht nur bei Banken, sondern auch in der Realwirtschaft nicht mehr.“
Der nordrhein-westfälische FDP-Vorsitzende Christian Lindner kritisierte die von der Deutschen Bank gezahlten Millionen-Provisionen für Banker. „Grenzen für die Freiheit zieht nicht nur das Gesetz, sondern auch das Verantwortungsgefühl. Man sollte für in Freiheit getroffene Entscheidungen Gründe angeben können, die vor Moral, Vernunft und Gemeinwohl Bestand haben“, sagte Lindner dem Handelsblatt.
Der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), Thomas Straubhaar, sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, er halte Eingriffe von außen bei den Managergehältern für falsch. „Aus meiner Sicht müssen sich sowohl der Gesetzgeber wie auch die Öffentlichkeit aus der Lohnfindung in einzelnen privaten Betrieben völlig raushalten“, sagte der Ökonom, der selbst Schweizer ist.
Die Schweizer hatten am Sonntag einem Volksbegehren gegen überzogene Managervergütungen mit großer Mehrheit zugestimmt. Die Initiative zielt darauf ab, Exzesse bei Bonus-Zahlungen, Abfindungen und Gehältern für Manager börsennotierter Unternehmen durch die Stärkung der Aktionärsrechte zu unterbinden. Über die Höhe von Managervergütungen sollen die Aktionäre jährlich entscheiden können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen