Noch mal Bagger-Protest? 250.000 Euro, bitte!
Nach einer Besetzung will der Kohlekonzern Leag Klimaaktivist*innen vor Gericht zu Unterlassungserklärungen bringen. Die sagen: Das soll Kritiker*innen einschüchtern
Von Maximilian Arnhold
Zwei Klimaaktivist*innen der Gruppe Ende Gelände standen am Dienstag für eine Aktion vor Gericht. Sie waren vor mehr als fünf Jahren im Lausitzer Tagebau auf Bagger geklettert und hatten nach Angaben des Betreibers Leag den Betrieb behindert. Die Leag hatte daraufhin von den Aktivist*innen die Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung gefordert. Sollten sie zur Unterlassung verurteilt werden, drohe bei Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro, teilte ein Sprecher des Landgerichts Cottbus mit.
Eine Einigung zwischen den Konfliktparteien konnte beim Prozessauftakt am Dienstagmittag nicht erzielt werden, berichten Prozessbeobachter*innen. Der Streit über die Kohlebagger-Besetzung geht also noch in eine nächste Runde.
Die Aktivist*innen halten die Forderungen der Leag für überzogen: Sie seien „unbegründet“ und dienten dazu, Klimaaktivist*innen mit Kostendrohungen von weiteren Protesten abzuhalten, argumentieren sie.
„Sollte es erneut zu Protesten im Tagebau kommen, würden die angedrohten Bußgelder Aktivismus faktisch unmöglich machen“, warnt Jana Alt, die selbst zu den damaligen Tagebaubesetzer*innen gehört.
Die insgesamt 23 beteiligten Aktivist*innen hatten bereits eine Unterlassungserklärung unterschrieben, allerdings geht die der Leag nicht weit genug. Genauer gesagt geht es um zwei Erklärungen: Eine bezieht sich auf das Gelände der Lausitz Energie Bergbau AG, die andere auf das Gelände der Lausitz Energie Kraftwerke AG.
Die Beklagten hatten die Unterlassungserklärung für die Bergbau AG bereits unterschrieben, lehnten aber eine Unterschrift für die Kraftwerke AG ab, da diese von der Aktion nicht betroffen gewesen sei. Die Leag erklärte, sie wolle sowohl ihre Kraftwerke als auch ihre Tagebaue vor künftigen Beeinträchtigungen geschützt wissen.
Rechtsanwalt Thorsten Deppner, der die zwei Aktivist*innen verteidigt, rechnet damit, dass die Beklagten den Prozess teilweise gewinnen werden. „Der Verlauf der Verhandlung bestätigt, dass es sich bei der Klage um einen Slapp handelt“, sagte Deppner nach der Verhandlung. Slapp ist ein Akronym und steht für Strategic Lawsuit Against Public Participation, zu Deutsch also eine Strategische Klage gegen öffentliche Beteiligung. Das heißt: eine rechtsmissbräuchliche Form der Klage, die den Zweck hat, Kritiker einzuschüchtern.
Die Unterlassungsklage der Lausitz Energie Kraftwerke AG diene der Abschreckung und solle demokratisches Engagement präventiv unterbinden, so Deppner. Dagegen werde man sich zur Wehr setzen. Gemeint ist eine strategische Klage, um zivilen Protest zu kriminalisieren. Die EU hatte im März dieses Jahres eine neue Anti-Slapp-Richtlinie verabschiedet, die derzeit in deutsches Recht umgesetzt wird.
Mitte Juni hatte der Verfassungsschutz Ende Gelände als linksextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Der Inlandsgeheimdienst kann zur Beurteilung der Aktivitäten nachrichtendienstliche Mittel nutzen, wie etwa die Beobachtung oder Informant*innen. Diese Einstufung dürfe im Prozess aber keine Rolle spielen, sagt Deppner. „Das würde Tür und Tor öffnen, alle möglichen anderen Personen mit einer Unterlassungsklage zu überziehen.“ Es sei zu Recht äußerst schwierig, jemanden wegen seiner Mitgliedschaft in einer politischen Vereinigung für mögliche künftige Handlungen anderer Mitglieder zur Unterlassung zu zwingen.
Beide Seiten können bis Ende August Stellungnahmen abgeben. Der Zivilprozess wird am 19. September fortgesetzt, erst dann ist mit einem Urteil zu rechnen.