Nach Pfefferspray-Einsatz am 1.Mai: Gepfefferte Kritik an Polizei
Nach dem umstrittenen Einsatz der Polizei bei den Maidemos klagen Zivilpolizisten Kollegen an. Ströbele kritisiert übertriebene Härte, die Linke will Pfefferspray einschränken.
BERLIN taz | Ausgerechnet ihre Untergebenen bringen Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und Polizeipräsident Dieter Glietsch in Bedrängnis. Am Mittwoch hat erneut ein Polizist Anzeige gegen Polizisten erstattet. Ein Beamter des Landeskriminalamtes will auf den Maidemos von einem Faustschlag eines anderen Beamten ins Gesicht getroffen worden sein.
Bereits am Dienstag hatten zwei Berliner Zivilpolizisten Kollegen angezeigt, nachdem sie von ihnen am 1. Mai in Berlin-Kreuzberg grundlos mit Pfefferspray attackiert und durch Faustschläge verletzt worden sein sollen. Körting und Glietsch hatten zuvor Vorwürfe zurückgewiesen, der Polizeieinsatz am 1. Mai sei unverhältnismäßig gewesen.
Bei dem Einsatz am Sonntagabend waren Polizisten der Bundespolizei in Berlin immer wieder durch eine Ansammlung zunächst friedlicher Menschen gestoßen. Im Laufe des Abends setzten Beamte wiederholt teils gezielt, teils großflächig Pfefferspray ein. Sanitäter hatten bereits am Abend den massiven Pfeffersprayeinsatz kritisiert, bei dem bis zu 200 Menschen verletzt worden sein sollen.
Ohne Vorwarnung gegen Schaulustige vorgegangen
Pfefferspray dürfen Beamte nur unter bestimmten Voraussetzungen verwenden: "Der Einsatz ist zulässig, wenn dringliche polizeiliche Maßnahmen anders nicht durchgesetzt werden können. Das setzt voraus, dass eine polizeiliche Anordnung durch Lautsprecher erfolgt ist oder ein Polizist zuvor direkt angegriffen wurde", sagte Oesten Baller, Professor für Polizeirecht an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht, der taz. Teilweise hatten die Beamten am Sonntag direkt auf Flaschenwürfe reagiert, teilweise waren sie jedoch auch ohne Vorwarnungen gegen Schaulustige vorgegangen.
Kritik am Polizeipräsidenten äußerte am Donnerstag der Kreuzberger Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Grüne): "Ich verstehe nicht, wieso Polizeipräsident Glietsch diese Vorkommnisse kleinredet." Ströbele habe an dem Abend beobachtet, dass auch viele ältere Menschen mit Augenverletzungen behandelt worden seien.
Pfefferspray niemals milde
Die Linksfraktion im Bundestag will nun den umstrittenen Einsatz der Bundespolizei am Kottbusser Tor klären lassen. Die Fraktion bemüht sich derzeit auf Bundesebene, den generellen Einsatz von Pfefferspray massiv zu beschränken.
"Pfefferspray wird nach technischem Regelwerk eingesetzt. Die gesundheitlichen Auswirkungen sind jedoch nie umfassend untersucht worden", sagte Björn Schering, Mitarbeiter der linken Bundestagsabgeordneten Karin Binder, der im Auftrag der Fraktion ein Gutachten zu den Folgen von Pfeffersprayeinsätzen angefertigt hat. "Pfefferspray wird als ,mildes Mittel' eingesetzt. Es kann aber gar nicht mild verwendet werden, weil für Allergiker und Asthmatiker unvorhergesehene Nebenwirkungen entstehen können. Die Versammlungsfreiheit muss aber auch für Asthmatiker gelten." Mit einem Antrag hatte die Linksfraktion das Thema daher am 16. März bereits in erster Lesung in den Bundestag eingebracht. Eine Anhörung vor dem Innenausschuss soll nun folgen, ein Termin steht noch nicht fest.
Interessant dürfte dieser auch für Versammlungsrechtler werden: Erst im April hatte in Berlin ein Polizist den Leiter der Berliner Versammlungsbehörde versehentlich mit Pfefferspray attackiert - weil er ihn für einen Autonomen hielt.
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