Nach Parlamentswahl im Libanon: Hisbollah stärker, Israel alarmiert
Die Wahl wird im Libanon wenig verändern. Aber es wächst die Gefahr einer israelisch-iranischen Konfrontation.

„Hisbollah = Libanon“, twitterte denn auch Israels Erziehungsminister Naftali Bennett am Montag. Wer nun aber, wie er, die Schlussfolgerung zieht, dass die vom Iran unterstütze Hisbollah der Wahlsieger ist, macht es sich zu einfach. Denn die Hisbollah selbst hat keine Sitze dazugewonnen, nur ihre Verbündeten: die schiitische Amal-Bewegung und die christliche Bewegung der Freien Patrioten des libanesischen Präsidenten Michel Aoun. Unklar ist, was das tatsächlich für Irans Einfluss im Libanon bedeutet, in einer Zeit, in der Israel immer mehr auf Konfrontationskurs mit dem Iran geht und kurz vor einer möglichen Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran durch Washington.
Diskussionen über eine Entwaffnung der Hisbollah dürften aber nun endgültig der Vergangenheit angehören. Realistisch waren sie ohnehin nie, da die Hisbollah immer stärker war als die libanesische Armee.
Die stabile Lage soll nicht gefährdet werden
Für Regierungschef Hariri ist das Wahlergebnis ein „Schlag ins Gesicht“, wie eine libanesische Tageszeitung titelt. Dennoch wird mit großer Wahrscheinlichkeit aber seine bisherige Regierung der nationalen Einheit fortgeführt, in der beide Bündnisse gemeinsam regieren und er selbst Ministerpräsident bleibt. Keines der Parteienbündnisse in der Regierung hat ein Interesse, das andere auszuschließen, da das die vergleichsweise stabile Lage im Libanon gefährden würde.
Aufgrund der unmittelbaren Nachbarschaft zum vom Bürgerkrieg geplagten Syrien und der Tatsache, dass ein Viertel der libanesischen Bevölkerung aus syrischen Flüchtlingen besteht, hat derzeit niemand im Libanon ein Interesse an einer Polarisierung. Dafür ist die Erinnerung an die eigenen Bürgerkriegszeiten noch zu dominant. Deutlich wurde das auch letztes Jahr, als Saudi-Arabien von Premier Hariri eine deutlich aggressivere Politik gegen die Hisbollah forderte und ihn längere Zeit festhielt. Am Ende bewirkte dies genau das Gegenteil, nämlich einen libanesischen Schulterschluss.
Auch strategisch hat der Libanon nicht mehr die gleiche hohe Bedeutung wie früher, als die Hisbollah das wichtigste Instrument für Teheran außerhalb des Iran war. Heute hängt das Überleben des benachbarten syrischen Assad-Regimes fast vollständig vom Iran ab. So ist es kein Zufall, dass die letzten israelischen Luftangriffe nicht dem Libanon, sondern Syrien galten.
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