Nach Lafontaines Rückzug: Linkes Lager verwirrt
Lafontaines Rückkehr an die Saar überrumpelt die Linke. Grünen-Landeschef Ulrich spricht von "Affront gegen Rot-Rot-Grün".
SAARBRÜCKEN taz | Bei der Linken Saar rechnete keiner mit dieser Nachricht aus Berlin - sie schlug am Donnerstagabend wie eine Bombe ein: Oskar wieder ante portas. An der Saar war immer wieder zu hören gewesen, dass "der Oskar" sein Landtagsmandat im Saarland zurückgeben werde, falls er wieder in den Bundestag einziehen sollte.
Selbst der Parteichef und stellvertretende Landtagsfraktionsvorsitzende der Linken Saar, Rolf Linsler, räumte im Gespräch mit der taz ein, von den neuen Absichten Lafontaines erst am Freitagvormittag erfahren zu haben. Lafontaine hat es offenbar noch nicht für nötig befunden, die Führung seiner Partei im Saarland von seiner Entscheidung vorher in Kenntnis zu setzen. Ganz zu schweigen von direkten Informationen an die Adresse von SPD und Bündnisgrünen an der Saar, mit denen die Linke doch so gerne koalieren möchte.
Bei den Grünen jedenfalls, die auf einem Parteitag am Sonntag entscheiden, ob sie an der Saar ein solches "Linksbündnis" installieren oder doch lieber zusammen mit CDU und FDP das Land regieren wollen, sorgte die Absichtserklärung von Lafontaine für Irritationen. Als dann noch bekannt wurde, dass Lafontaine sein langfristiges Engagement als Fraktionsvorsitzender an die Bedingung geknüpft habe, dass es im Saarland zu einer rot-rot-grünen Koalition kommt, war die Verwirrung bei den Grünen komplett.
Der Landeschef der Saar-Grünen, Hubert Ulrich, bezeichnete die angekündigte Rückkehr von Linken-Chef Oskar Lafontaine ins Saarland als "Affront gegen Rot-Rot-Grün". "Lafontaine will sich als Koministerpräsident installieren", sagte er der Nachrichtenagentur AFP am Freitag mit Blick auf ein mögliches Linksbündnis unter SPD-Landeschef Heiko Maas. Der Bundeschef der Linken habe "kein gutes Signal" für eine solche Koalition ausgesandt. Hubert Ulrich wird eine intime Feindschaft mit Lafontaine nachgesagt.
Bereits auf den ersten beiden Regionalkonferenzen der Grünen hatten sich einige Parteimitglieder schon gegen Rot-Rot-Grün positioniert, weil sie befürchten, dass Lafontaine ihnen von Berlin aus die Regierungsgeschäfte im Saarland verderben könnte. Wird Lafontaine jetzt an die Saar zurückkehren, sei das mit Blick auf Rot-Rot-Grün doch "nur noch kontraproduktiv", echauffierte sich ein Parteimitglied der Grünen am Rande der Regionalkonferenz am Donnerstagabend in Saarlouis. Ein Bündnis mit SPD und Linken zugeneigter Grüner meinte, dass Lafontaines Ankündigung zwei Tage vor dem entscheidenden Parteitag der Grünen "eher eine Drohung als eine Hilfe" sei.
Der Landesvorstand werde am Sonntagvormittag eine Empfehlung für eine Koalition auf Landesebene aussprechen, kündigte Hubert Ulrich an. Und am Nachmittag seien dann die Delegierten des Parteitages am Zuge. Auf den drei Regionalkonferenzen der Grünen habe es ein durchaus klares Stimmungsbild gegeben, hieß es aus Parteikreisen: 60 Prozent der Teilnehmer favorisieren eine Rot-Rot-Grüne Koalition, 40 Prozent Schwarz-Gelb-Grün.
Seit diesem Freitag, seit Lafontaines Überraschungscoup in Rheinsberg, ist auch diese vage Verhältnisrechnung allerdings schon längst wieder Geschichte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren