Nach Korruptionsskandal in Vietnam: An Neujahr nicht mehr Präsident
Vietnams Staatspräsident Nguyen Xuan Phuc erklärt seinen Rücktritt kurz vor dem Neujahrsfest. Am Mittwoch soll sein Nachfolger bestimmt werden.
Bereits für Mittwoch ist eine Sondersitzung des Parlaments anberaumt, die der Wahl eines Nachfolgers dienen soll, bestätigt Parlamentspräsident Bui Van Cuong.
„So viel Hektik bei einem Politikerrücktritt gab es noch nie“, sagt ein politischer Beobachter, der ungenannt bleiben will, der taz. Denn in Vietnam sind gerade Ferien zum fernöstlichen Neujahrsfest. Die Bürger bereiten das wichtigste Fest des Jahres vor, das in der Familie begangen wird. Die Politik sollte da eigentlich ruhen.
In dieser Woche solche Sondersitzungen anzusetzen, wäre etwa so merkwürdig, als würde in Deutschland eine Partei zwischen Weihnachten und Silvester einen Sonderparteitag einberufen, und anschließend käme noch der Bundestag zusammen.
Erst kürzlich traten zwei wichtige Politiker zurück
Die Merkwürdigkeit ist umso größer, weil erst vor drei beziehungsweise einer Woche Sondersitzungen von Parteispitze und Parlament stattfanden, auf denen zwei stellvertretende Premierminister ihren Rücktritt erklärten. Damals waren die Rücktritte nicht begründet worden.
Phuc hat hingegen seinen Rücktritt begründet: Er erklärte, die politische Verantwortung für Korruptionshandlungen seiner Mitarbeiter im Zusammenhang mit Medizinprodukten zu übernehmen.
Es geht um den international nicht anerkannten, überteuerten Coronatest Viet A, den eine vietnamesische Kleinfirma mit erheblicher staatlicher Unterstützung 2020 entwickelte und im großen Stil vertrieb, wobei reichlich Bestechungsgelder der Firma an hohe Politiker gezahlt wurden.
Mehrere Politiker waren in diesem Zusammenhang festgenommen worden, darunter zwei Minister. Der heutige Staatspräsident war damals Ministerpräsident und damit deren Chef.
Wer Phuc nachfolgt ist noch unklar
Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit und sie erklärt nicht, warum der Rücktritt ausgerechnet in der Woche des vietnamesischen Neujahrsfestes erfolgte.
Was nicht gesagt wurde: Auch gegen die Ehefrau von Phuc wird im Zusammenhang mit den gefälschten Tests ermittelt, mehrere ihrer Verwandten wurden letzte Woche festgenommen. Damit wuchs der politische Druck auf Phuc.
Der zurückgetretene Staatspräsident ist Südvietnamese und studierter Jurist. Er gehörte dem Wirtschaftsflügel innerhalb der Kommunistischen Partei an, verhielt sich ab 2016 flügelneutral, galt aber dennoch als Unterstützer der Wirtschaft.
Das Datum der Sondersitzung des Parlaments wurde zwar festgelegt, wer Phucs Nachfolger werden könnte, ist aber noch unklar. Die größten Ambitionen werden dem 65-jährigen Innenminister To Lam, einem innenpolitischen Hardliner mit erheblicher krimineller Energie, zugesprochen.
To Lam beauftragte Entführung aus Tiergarten
To Lam war es, der 2017 die Entführung des abtrünnigen Wirtschaftsfunktionärs Trinh Xuan Thanh aus Berlin nach Hanoi in Auftrag gab und den Entführten in der slowakischen Hauptstadt Bratislava persönlich in Empfang nahm. Thanh wurde anschließend in Vietnam in einem nicht rechtsstaatlichen Verfahren zu zweimal lebenslänglicher Haft verurteilt.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass es einen deutschen Haftbefehl gegen To Lam gibt. Die Generalbundesanwaltschaft äußert sich generell nicht zu offenen Haftbefehlen, um die Betroffenen nicht zu warnen.
Die Sache ist brisant, weil Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vietnamesischen Berichten zufolge im Februar einen offiziellen Besuch in Vietnam plant. Das Bundespräsidialamt äußert sich auf taz-Anfrage nicht, ob das zutrifft, nach taz-Informationen laufen aber bereits Vorbereitungen. Es ist jedoch kaum vorstellbar, dass Steinmeier sich nächsten Monat mit dem Auftraggeber dieser Entführung trifft.
Eine andere in den sozialen Netzwerken diskutierte Variante wäre es, dass der 78-jährige Parteichef Nguyen Phu Trong – ebenfalls ein innenpolitischer Hardliner – den Job des Staatsoberhauptes übergangsweise miterledigt. Das hatte er bereits ab 2018 schon einmal gut zwei Jahre lang getan, weil sich die Führungsriege auf keinen Kandidaten einigen konnte.
Anmerkung der Redaktion: In der ursprünglichen Version hieß es, Frank-Walter Steinmeier habe als Außenminister die Entführung verurteilt. Zum Zeitpunkt der Entführung war er aber bereits Bundespräsident. Das Außenministerium, unter der Ägide von Sigmar Gabriel, hatte die Entführung Tranhs deutlich verurteilt. Wir haben das korrigiert.
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