Nach Irlands Ja zum EU-Vertrag: Kaczynski will Blockade aufgeben
Nach Irlands Ja zum EU-Reformvertrag von Lissabon will der polnische Präsident Kaczynski nachziehen. Nur der tschechische Präsident Klaus sieht keine Eile geboten obwohl Parlament und Senat dafür plädierten.
WARSCHAU/PRAG dpa | Nach der Zustimmung der Iren zum EU-Reformvertrag will auch der polnische Präsident Lech Kaczynski seine Unterschrift nicht mehr verweigern. Das Staatsoberhaupt werde das Dokument "unverzüglich" unterzeichnen, sagte der Chef des Nationalen Sicherheitsamtes, Aleksander Szczyglo, am Sonntag dem Radiosender Radio ZET. Er freue ich über die Entscheidung der Iren, betonte Szczyglo, dessen Behörde dem Präsidentenamt direkt unterstellt ist.
Bereits am Vortag hatte der Chef der Präsidentenkanzlei, Wladyslaw Stasiak, Kaczynskis Bereitschaft signalisiert, den Ratifizierungsprozess schnell abzuschließen. Es sei zwar schwer, ein konkretes Datum zu nennen, es werde aber ohne "unnötige Verzögerung" geschehen. Seiner Meinung nach sollen keine Monate und auch keine Wochen vergehen.
Zuversicht zeigte auch der Vorsitzende des Europäischen Parlaments, Jerzy Buzek. Er habe keine Angst, der Präsident werde mit Sicherheit "in kurzer Zeit" unterzeichnen, sagte Buzek der polnischen Nachrichtenagentur PAP in Brüssel. Regierungschef Donald Tusk verwies am Samstag in Berlin darauf, dass schnelles Handeln des Präsidenten in Polens Interesse liege. Je schneller Kaczynski unterschreibe, desto besser für Polen, sagte er.
Laut Stasiak erwartet das Staatsoberhaupt von der Regierung ein "sinnvolles und auf einem Kompromiss aufgebautes" Kompetenzgesetz. Darin sollten Zuständigkeiten der wichtigsten Staatsorgane in der Europapolitik neu festgelegt werden. Der Präsident besteht dabei auf Erweiterung seines Einflusses.
Beide Kammern des polnischen Parlaments hatten den EU- Reformvertrag bereits im vergangenen Jahr bestätigt. Trotz zahlreicher Appelle aus Polen und dem Ausland hatte Kaczynski bisher unter Hinweis auf Irland seine Unterschrift verweigert.
In Tschechien kein Grund zur Eile
Der tschechische Präsident Vaclav Klaus sieht auch nach dem Ja aus Irland zum EU-Reformvertrag keinen Grund, schnell zu entscheiden, ob er das Abkommen ratifiziert. Klaus verwies am Samstag in Prag vor Journalisten auf die noch ausstehende Entscheidung des tschechischen Verfassungsgerichts zum Lissabon-Vertrag, die er zunächst abwarten müsse und wolle. Seine Unterschrift, so der als EU-kritisch bekannte Klaus, sei deshalb "nicht die Frage von heute". Der tschechische Ministerpräsident Jan Fischer begrüßte den Ausgang des irischen Referendums unterdessen als "sehr gute Neuigkeit für die Bürger aller EU-Mitgliedsstaaten".
Aus Sicht der EU ist nach der irischen Volksabstimmung die Ratifizierung des Lissabon-Vertrags nur noch in Tschechien fraglich. Das Verfassungsgericht in Brno (Brünn) soll auf Antrag von 17 Senatoren die Rechtmäßigkeit des Abkommens überprüfen. "Wir haben keine Klage gegen Irland eingereicht, sondern eine für Tschechien", sagte Senator Jiri Oberfalzer, der die Klage initiiert hatte und der als enger Verbündeter von Klaus gilt. Man halte deshalb an dem Vorgehen fest. Damit der EU-Reformvertrag in Kraft tritt, muss er von allen 27 EU-Ländern ratifiziert sein.
Parlament und Senat in Prag haben das Abkommen bereits gebilligt. Regierungschef Fischer sagte, er sei "überzeugt, dass der Ratifizierungsprozess in einer Weise abgeschlossen werden kann, die es dem Lissabon-Vertrag erlaubt, bis Ende 2009 in Kraft zu treten". Das Verfassungsgericht hatte vergangene Woche mitgeteilt, die Senatoren-Beschwerde vorrangig zu behandeln und einen ersten Gerichtstermin für Ende Oktober oder Anfang November in Aussicht gestellt.
Die EU will ihr weiteres Vorgehen unter schwedischer Ratspräsidentschaft kommende Woche bei Treffen in Brüssel und Prag mit der tschechischen Regierung abstimmen. Die Union möchte nach den Europawahlen vom Juni so schnell wie möglich eine neue EU-Kommission nach den Regularien des Lissabon-Vertrags einsetzen.
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