Nach Gewalttat im Oberlinhaus: Kündigung der Täterin bestätigt
Die wegen vierfachen Mordes verurteilte Pflegerin hatte verlangt, dass ihr ehemaliger Arbeitgeber eine Abfindung zahlt. Die Klage wurde abgewiesen.
Ines R. hatte in Absprache mit ihrem Anwalt Henry Timm, der sie auch im Mordprozess vertrat, aufgrund der außerordentlichen Kündigung nach der Tat verlangt, dass das Oberlinhaus ihr eine Abfindung in Höhe von 44.000 Euro zahlen sollte und der Arbeitsvertrag zum 30. November 2021 aufgelöst wird. Also erst rund sieben Monate nach dem vierfachen Mord und versuchten Mord an den Bewohner*innen.
In den Wochen vor dem Schuldspruch des Landgerichts war sogar die Rede von Euro 81.600 Euro Abfindung sowie eine Lohnfortzahlung bis Ende 2021 gewesen. Das Oberlinhaus lehnte die Forderung ab. Rechtsanwalt Timm begründete die Forderung nach einer Abfindungszahlung vor Gericht damit, dass der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht gegenüber der Pflegerin verletzt habe.
Die Richterin Birgit Fohrmann wies die Klage und die Schadensersatzforderungen ab, da ein „Kündigungsgrund wohl unzweifelhaft gegeben“ sei. Prekäre Arbeitsbedingungen seien kein Grund für Mord. Die verurteilte Pflegerin muss demnach die Kosten des Gerichtsverfahrens tragen.
Trauerarbeit geht weiter
Im März entscheidet das Arbeitsgericht Potsdam außerdem über die Kündigung der ehemaligen Heimleitung des Thusnelda-von-Saldern Hauses, des Gebäudes des Oberlinhauses, in dem die Gewalttat passierte. Die ehemalige Hausleiterin Heike J. wehrt sich juristisch gegen die fristlose Kündigung, die ihr im Dezember zuging. Im Mordprozess gegen die Pflegerin Ines R. waren auch Vorwürfe gegen die Heimleiterin durch ehemalige Mitarbeiter*innen geäußert worden.
Die Bewohner*innen des Thusnelda-von-Saldern Hauses und auch die Mitarbeiter*innen des Oberlinhauses haben den Mordprozess und die Einzelheiten, die dadurch bekannt wurden, als aufreibend beschrieben. Viele Presseanfragen erreichten das Haus, außerdem gab es in den Verhandlungstagen starke Vorwürfe zu den Zuständen in der Einrichtung. Besonders den Vorwurf über fehlendes Personal wies die Einrichtung zurück.
Am 28. April 2022, ein Jahr nach der Gewalttat, will das Oberlinhaus gemeinsam mit Angehörigen der getöteten Menschen und mit Bewohner*innen des Hauses im Rahmen einer Trauerfeier einen dauerhaften Gedenkort auf dem Oberlinhausgelände einrichten. Außerdem kündigte das diakonische Unternehmen an, eine Kommission aus Expert*innen einzusetzen, um die in dem Strafprozess thematisierten Probleme in der Pflege von Menschen mit Behinderung zu untersuchen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links