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Nach Explosion in BeirutAufklärung mit Hindernissen

Eine unabhängige Aufarbeitung der Explosion in Beiruts Hafen scheint unwahrscheinlich. Politisches Gerangel überschattet die Ermittlungen.

Stillstand nach Explosion: Die Ermittlungen zur Detonation haben bisher kaum Ergebnisse gebracht Foto: Felipe Dana/dpa

Beirut taz | Zwei Wochen nach der Explosion von 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat im Hafen von Beirut stocken die Ermittlungen der Justiz. Zwar hatte die Regierung eine schnelle Aufklärung der Ereignisse versprochen und ein Richter nach einem ersten Haftbefehl gegen den Zollchef des Hafens am Dienstag einen zweiten gegen die Hafenleitung erlassen. Dennoch konnten die Ermittler bisher kaum mit Informationen und Erklärungen aufwarten.

Vielmehr ist die Aufarbeitung von politischen Reibereien um die Ernennung des Chefermittlers geprägt, außerdem von Drohungen der Streitkräfte gegenüber möglichen Informanten und von einem Komitee, dessen konfessionelle Zusammensetzung von Anfang an parteiisch ist.

Aktivist*innen, Angehörige und Überlebende hatten eine unabhängige Ermittlung gefordert

Aktivist*innen, Verwandte der Opfer und Überlebende hatten eine unabhängige Ermittlung gefordert. Sie bezweifeln, dass die konfessionell-politischen Fraktionen Ergebnisse veröffentlichen werden, wenn diese ihnen selbst schaden könnten. „Ist es heute akzeptabel, dass die Häuser von Menschen zerstört, ihre Familien getötet, ihre Hoffnungen und Träume ebenso getötet werden, ohne Gerechtigkeit, bei voller Straflosigkeit?“, fragte der Überlebende Paul Najjar und bat den UN-Sicherheitsrat um internationale Unterstützung.

Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte eine unabhängige, internationale Beteiligung an der Aufarbeitung aufgrund der „wiederholten Versäumnisse der libanesischen Behörden, schwerwiegende Regierungsversagen zu untersuchen“.

Militärgericht übernimmt

Politisch herrscht im Libanon dieser Tage weitgehend Stillstand. Die Regierung trat sechs Tage nach der Explosion zurück und übernimmt daher nur die nötigsten Regierungsgeschäfte. Als letzte Amtshandlung hatte sie den höchsten Justizrat des Landes mit der Untersuchung der Geschehnisse beauftragt. Dabei handelt es sich um das höchste Gericht des Landes, das Fälle der nationalen Sicherheit bearbeitet. Der Rat besteht aus zehn Personen, von denen acht gemäß des politischen Systems im Libanon nach konfessioneller Zugehörigkeit ausgewählt werden.

Die vorübergehende Justizministerin Marie-Claude Najm ist derweil nach Paris geflogen – aus „privaten Gründen“, wie der lokale Fernsehsender MTV berichtet. Zuvor habe sie versäumt, einen Gerichtsschreiber zu ernennen – Grund genug für die Justiz, den Fall an das libanesische Militärgericht zu übergeben.

In den Tagen zuvor gab es tagelang politisches Gerangel um den Chefermittler. Obwohl Najm einen Kandidaten vorschlug, wurde dieser ohne Begründung vom Justizrat abgelehnt. Zunächst wurde Fadi Akiki eingesetzt – der Ehemann der Nichte des Parlamentssprechers. Nach öffentlicher Kritik daran übernahm jedoch der ehemalige Militärrichter Fadi Sawan das Amt des Hauptermittlers.

Sawan ist der Öffentlichkeit bekannt, weil er die Aktivistin Kinda el Khatib beschuldigte, mit Israel zu kollaborieren. Die Aktivistin ist eine starke Kritikerin der Hisbollah und des Präsidenten Michel Aoun. Sie wies die Vorwürfe von sich, wurde aber dennoch verhaftet.

In den Ermittlungen um die Explosion erließ Sawan einen Haftbefehl gegen den Zollchef des Hafens. Außerdem wurden 19 Verdächtige im Zuge der Ermittlungen festgenommen, darunter auch der Vorgänger des Zollchefs sowie der Hafendirektor.

Internationale Ermittler reisen nach Beirut

Während handfeste Ergebnisse auf libanesischer Seite ausbleiben, gibt es großes internationales Interesse an den Ermittlungen. Polizist*innen und Forensiker*innen aus Frankreich haben den Unterwasserkrater an der Detonationsstelle im Hafen inspiziert und Proben von den explosiven Stoffen genommen.

Ihre Ergebnisse wollen sie auch den libanesischen Richtern zur Verfügung stellen. Die Expert*innen können nur auf Einladung des Gastlandes arbeiten, die französischen Behörden erklärten aber, dass der Libanon ihnen den Zugang ermögliche. Ob sie auch Zeugen befragen oder Dokumente anfordern, ist nicht bekannt. Als Grund für ihr Interesse nannten die französischen Behörden den Tod des französisch-libanesischen Architekten Jean-Marc Bonfils.

Bei der Explosion kam auch eine Mitarbeiterin der deutschen Botschaft ums Leben. Deutschland kündigte jedoch bisher nicht an, Ermittlungsteams zu senden. Das US-amerikanische Außenministerium erklärte hingegen, die US-Polizeibehörde FBI werde zur Unterstützung in den Libanon kommen. Die antiamerikanisch eingestellte schiitische Hisbollah lehnte das jedoch entschieden ab.

Der libanesische Präsident Michel Aoun bezeichnete internationale Ermittlungen als „Zeitverschwendung“. „Die Forderungen nach einer internationalen Untersuchung der Hafenexplosion zielen darauf ab, die Wahrheit zu vertuschen“, erklärte er Medien.

Die Explosion gilt als Unfall, doch nach wie vor ist unklar, was die Detonation auslöste. Derweil sind Dokumente aufgetaucht, die beweisen, dass die Führer des Landes von der potenziellen Gefahr wussten.

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