piwik no script img

Nach Eklat bei Israel-BesuchGabriel kritisiert Netanjahu

Der deutsche Außenminister verteidigt Treffen mit regierungskritischen Gruppen. Israelische Intellektuelle danken Gabriel in einem Brief.

Haben sich schon länger nicht mehr gesehen: Gabriel und Netanjahu Foto: dpa

Berlin dpa/taz | Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat sein Treffen mit Regierungskritikern in Israel verteidigt. Zugleich kritisierte er den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, der ein geplantes Treffen im Streit abgesagt und dem deutschen Außenminister später Instinktlosigkeit vorgeworfen hatte. „Unter Demokraten muss es möglich sein, sich auch mit regierungskritischen Organisationen zu treffen“, sagte Gabriel der Bild-Zeitung (Freitag). Er würde wieder genauso handeln.

Der Minister ergänzte: „Unter Demokraten stellt man sich keine Ultimaten. Der israelische Premierminister wollte mich dazu zwingen, ein Treffen mit unbescholtenen israelischen Bürgern abzusagen, weil diese seiner Politik gegenüber den Palästinensern kritisch gegenüber stehen. Nicht nur aus unserer Sicht verstößt die israelische Siedlungspolitik gegen das Völkerrecht und ist ein Hindernis für den Friedensprozess, diese Politik der Regierung Netanjahu ist auch in Israel hoch umstritten. Da ist es für mich selbstverständlich, auch die Kritiker zu hören.“

Mehr als 20 bekannte Israelis hatten sich inständig bei Deutschland bedankt, weil es der Zivilgesellschaft in ihrem Land beistehe. In ihrem an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Gabriel gerichteten Brief hieß es: „Wir sind eine Gruppe von Israelis, die tief besorgt über die Zukunft unseres Landes sind.“ Professor David Harel, Vize-Präsident der Israelischen Akademie der Wissenschaften, bestätigte der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag, das Schreiben sei dem deutschen Botschafter übermittelt worden. Unter den Unterzeichnern sind einflussreiche israelische Wissenschaftler, Künstler, Politiker und Diplomaten.

Man sei „zutiefst dankbar“ für Gabriels Verhalten bei dessen jüngstem Besuch in Israel, sagte Harel, Träger des Israel-Preises (2004), der höchsten Auszeichnung des Landes. Gabriel hatte sich mit Vertretern der Gruppen Breaking the Silence (Das Schweigen brechen) und Betselem getroffen. Beide kritisieren Israels Siedlungspolitik in den besetzten Palästinensergebieten. Daraufhin hatte Netanjahu ein geplantes Treffen mit Gabriel abgesagt. Merkel stärkte Gabriel nach dem Eklat den Rücken.

„Wir begehen mit großer Trauer den bevorstehenden 50. Jahrestag der Besatzung“, hieß es in dem Brief. „Im vergangenen halben Jahrhundert hat unser geliebtes Land Millionen von Palästinensern grundlegende Freiheiten und Rechte verweigert und Siedlungen gebaut, die jeglicher Lösung dieses Konflikts im Wege stehen.“ Zivilgesellschaftliche Aktivitäten wie jene der Gruppen Breaking the Silence, Betselem und Peace Now seien „ein Zeichen der Hoffnung inmitten der Verzweiflung“.

Kritik an der „völkerrechtswidrigen Siedlungspolitik“

Unterzeichnet haben 23 bekannte Israelis, unter anderem Ilan Baruch, Israels früherer Botschafter in Südafrika, Michael Ben Jair, der ehemalige Generalstaatsanwalt, Avraham Burg, früherer Parlamentspräsident, die Soziologin Eva Illouz, der Bildhauer Dani Karavan und der Dramatiker Joshua Sobol.

Auf die bevorstehende Israel-Reise von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier angesprochen, sagte Gabriel: „Der Bundespräsident ist in einer ganz anderen Rolle als ich. Ich habe keinen Zweifel, dass der Bundespräsident die richtigen Worte finden wird, um die Situation zu beruhigen.“

Steinmeier wird bei seinem Besuch in Israel nicht Breaking the Silence und Betselem zusammentreffen. Das wurde am Freitag aus dem Präsidialamt bekannt. Vorgesehen sind während der Reise von Samstag bis Dienstag Gespräche mit den Schriftstellern Amoz Oz und David Grossmann sowie mit anderen Intellektuellen und Vertretern der Zivilgesellschaft.

Der Bundespräsident will am Sonntag mit dem israelischen Präsidenten Reuven Rivlin und mit Netanjahu zusammentreffen. Am Dienstag besucht er die palästinensischen Gebiete. Es sei nicht die Rolle des Bundespräsidenten, Gräben zu vertiefen, hieß es aus dem Präsidialamt. Steinmeier wolle sich damit aber nicht von Gabriel distanzieren. Seine Kritik an der „völkerrechtswidrigen Siedlungspolitik“ werde an Klarheit nichts vermissen lassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Es gibt zwei Beiträge, die zu dem Thema bemerkenswert sind. Zum einen in der taz von Frederik Schindler: http://www.taz.de/Kolumne-Liebeserklaerung/!5401547/

     

    zum anderen im Spiegel von Jan Fleischhauer: http://www.spiegel.de/politik/ausland/israel-und-sigmar-gabriel-u-boote-liefern-klappe-halten-kolumne-a-1145584.html

     

    Beide Autoren kennen den legendären Satz von Zvi Rex.

  • Der Herr Gabriel soll wohl der Chefdiplomat der BRD sein? Es scheint daß er eher der oberste Rülps des Landes ist.

    • @Egon Olsen:

      Er zeigt in dieser Auseinandersetzung die gleiche "Robusheit" in seinen Umgangsformen, die er beispielsweise 2015 als Wirtschaftsminister im Iran zeigte, als er gegenüber seinen Gastgebern mehrfach und offensiv die Menschenrechtsfrage und das Existenzrecht Israels ansprach.

       

      Wer da eine "besondere Rücksichtnahme" gegenüber Netanjahu erwartet, der fordert im Grunde nichts anderes als politische Doppelstandards und zweierlei Maß.

    • @Egon Olsen:

      Welch eine konstruktive Kritik, die Sie auch ganz wunderbar mit Fakten untermauert haben. Vielen Dank!

      Da möchte man Ihnen blind zustimmen

      8-)