Nach Chaos am Sonntag: Berliner Wahlleiterin tritt zurück
Nach dem chaotischen Wahlsonntag in Berlin tritt die Landeswahlleiterin zurück. Sie entschuldigte sich bei den WählerInnen für die Pannen.
Am Sonntag hatten Menschen teils stundenlang vor Wahllokalen gewartet; Stimmzettel fehlten oder wurden falsch ausgeliefert. Zunächst hatte Michaelis eine pauschale Schuldzuweisung noch von sich gewiesen: „Wenn da was schiefgegangen ist, dann muss ich leider sagen, sind es die Bezirkswahlämter gewesen“, sagte sie am Dienstagabend im RBB. Allerdings entschuldigte sie sich da bereits ausdrücklich bei allen WählerInnen, die am Sonntag von ihrem Wahlrecht nicht Gebrauch machen konnten.
Nun war der öffentliche Druck offenbar zu groß geworden. In den sozialen Netzwerken und in den Medien, auch in der taz, hatten seit Sonntag etliche Menschen über fehlende oder vertauschte Stimmzettel berichtet. WahlhelferInnen berichteten über schlecht geschulte, überforderte Zählteams, die teils erst nach Mitternacht nach Hause gehen konnten.
Nach Recherchen des RBB wurden wegen falscher Wahlzettel in 99 Berliner Wahlbezirken mindestens 13.120 ungültige Stimmen gezählt. Das zeige eine Datenanalyse des Portals rbb24, teilte der Sender am Mittwoch mit. Die falschen Wahlzettel hätten als ungültig gewertet werden müssen. Die Probleme mit den falschen Zetteln seien der Landeswahlleitung seit Mitte August bekannt gewesen.
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Die nach wie vor offene Frage ist indes, ob die Unregelmäßigkeiten Konsequenzen haben könnten über den Rücktritt der, im übrigen ehrenamtlich tätigen, Landeswahlleiterin hinaus: Ob also eine oder mehrere Wahlen in einigen Stimmbezirken wiederholt werden müssten. Am Sonntag wurden parallel der Bundestag, das Berliner Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlungen gewählt. Außerdem wurde über den Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen abgestimmt.
Landeswahlleiterin Michaelis hatte am Montag gesagt, man werde jetzt mit den Bezirkswahlämtern auswerten, wie gravierend und zahlreich die Pannen tatsächlich gewesen seien. Vor nächster Woche wird mit diesem Bericht allerdings nicht gerechnet, hieß es auch aus der Geschäftsstelle der Landeswahlleitung. Senatskanzleichef Christian Gaeble (SPD) hatte am Dienstag von Unregelmäßigkeiten in einer zweistelligen Zahl von Wahllokalen gesprochen. Insgesamt wurde in über 2.100 Wahllokalen gewählt.
Konkret über eine mögliche Anfechtung der Wahl wird bereits im Wahlkreis 3 in Pankow diskutiert. Dort hat der Linken-Direktkandidat für das Abgeordnetenhaus Klaus Lederer nur hauchdünn mit 0,1 Prozentpunkten gegen die Grünen-Kandidatin Oda Hassepaß verloren. Lederer forderte eine Nachzählung, es gehe um lediglich etwa 30 Stimmen.
Am Mittwochnachmittag gab Bezirkswahlleiterin Christine Ruflett tatsächlich bekannt, dass das ermittelte Erststimmenergebnis bei der Abgeordnetenhauswahl neu ausgezählt wird. Bei der Wahlleitung sei wegen des sehr knappen Ergebnisses eine entsprechender Antrag der Linken eingegangen. Die Neuauszählung werde am Donnerstag erfolgen, das Ergebnis dann vom Bezirkswahlausschuss bei seiner Sitzung am 11. Oktober bewertet.
Die Innenverwaltung, die die Rechtsaufsicht über die Wahl innehat, hatte zuvor dazu auf taz-Anfrage erklärt, im Fall Pankow 3 müsse „zunächst geprüft werden, ob und wie viele Stimmen in dem betreffenden Wahlkreis zu Unrecht nicht oder falsch gewertet wurden.“ Dafür müssten unter anderem „die Niederschriften der Wahlvorstände ausgewertet werden“. Dann werde „berechnet, ob die falsch oder nicht gewerteten Stimmen potentiell zu einem anderen Ergebnis hätten führen können.“
Mit anderen Worten: Die Wahlvorstände müssen in Pankow 3 und überall dort, wo es Unregelmäßigkeiten gab, die potenzielle Größe des Fehlers in Bezug auf das Stimmenergebnis abwägen. „Ist eine solche Ergebnisrelevanz festzustellen, muss die Wahl in den von Fehlern betroffenen Stimmbezirken wiederholt werden“, schreibt die Innenverwaltung weiter. Das bedeutet auch: Sollten eine oder mehrere Wahlen in einem Stimmbezirk angefochten werden, muss nicht zwangsläufig im gesamten Wahlbezirk oder gar in ganz Berlin die Wahl wiederholt werden.
Die Entscheidung, ob eine Wahl wiederholt werden muss, weil sich Fehler auf Mandate ausgewirkt haben können, werden durch den jeweiligen Kreis- bzw. Bezirkswahlausschuss getroffen. Anfechten können die Wahl sowohl unterlegene KandidatInnen wie auch Wählende, die ihre Stimme nicht abgeben konnten, weil zum Beispiel – wie aus einem Wahllokal in Prenzlauer Berg berichtet – stundenlang Stimmzettel für die DirektkandidatInnen der Bundestagswahl fehlten.
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Mit dem Rücktritt der Landeswahlleiterin allein ist das Wahldebakel allerdings nicht ausgestanden. „Ich erwarte durchaus einen Bericht von unserem zuständigen Stadtrat und unserem Wahlleiter, was bei uns im Bezirk schief gelaufen ist und warum“, sagte Monika Herrmann (Grüne), Noch-Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, der taz am Mittwoch.
Schließlich habe die Durchführung der Wahl vor Ort in den Händen der Bezirke gelegen: Es sei schwer zu verstehen, wieso in einem Kreuzberger Wahllokal Wahlzettel aus Charlottenburg-Wilmersdorf austeilt wurden. Deswegen sei auch offen, so Herrmann, wie hoch der Anteil der Landeswahlleiterin an den Pannen wirklich ist.
Die grüne Fraktionschefin Antje Kapek sieht die Innenverwaltung „weiter in der Pflicht. Wir erwarten eine umfassende Aufklärung aller Pannen“, schrieb sie auf Twitter. Wahlen seien das Herz einer parlamentarischen Demokratie. „Sie müssen reibungslos funktionieren.“
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