Nach Beschuss in Libanon und Israel: Waffenruhe in Gefahr?
Im Libanon sterben neun Menschen durch israelische Angriffe nach Raketenbeschuss auf Israel. Gespräche sollen eine größere Eskalation verhindern.

Zuvor wurden am Samstagmorgen vier Raketen aus dem Libanon auf Israel in der Nähe von Metula abgefeuert, berichtet Unifil. Das israelische Militär sprach von drei Raketen, die es abfangen konnte. Die Hisbollah bestreitet, die Raketen abgefeuert zu haben. Normalerweise bekennt sich die Miliz der Hisbollah zu ihren Angriffen. Die Zeitung Al-Joumhouria berichtet in Bezug auf Sicherheitskreise, dass zwei syrische Staatsangehörige für Befragungen festgenommen worden seien.
Israels Militär gibt an, „Stellungen der Hisbollah“ bombardiert zu haben. Ein Drohnenangriff auf ein Wohnhaus im Bezirk Tyros tötete am Samstagabend den Hisbollah-Kommandant Radwan Salim Awada. Bei dem Angriff wurden mindestens zwei Zivilist*innen getötet: Ein 61-jähriger Mann namens Safi und die 37-jährige zweifache Mutter Rania Abbas Houmani, berichtet die Zeitung L’Orient-Le Jour. Rania sei gerade damit beschäftigt gewesen, Wäsche aufzuhängen, als sie getötet wurde, während Safi ferngesehen habe, erzählten Einheimische.
Die libanesische staatliche Nachrichtenagentur berichtet, dass ein Kind in Touline getötet wurde. Insgesamt starben dort fünf Menschen durch israelische Angriffe, darunter auch der Vater des Mädchens.
Beide Seiten verletzen permanent das Abkommen
In Aita asch-Schaab griff eine israelische Drohne ein Auto an und tötete den Insassen Hassan Nehmeh al-Zein, berichtet L’Orient-Le Jour. Der Mann soll ein Café besessen haben, das über Nacht unter Artilleriebeschuss geriet. Einheimischen zufolge wollte er am Sonntagmorgen den Schaden begutachten, als ihn eine Drohne verfolgte und eine Rakete auf sein Fahrzeug abfeuerte. Es ist unklar, ob der Mann Zivilist oder Kombattant ist. Die libanesische staatliche Nachrichtenagentur bezeichnet ihn als „Zivilist“.
Das libanesische Militär erklärte am Sonntag, dass israelische Militärfahrzeuge einen Grenzzaun im Qatmoun-Tal im Bezirk Nabatieh durchbrochen hätten und mit Bulldozern „Planierarbeiten“ durchführten. Die Armee verurteilte das als „eklatante Verletzung“ der Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrats und der Waffenruhe.
Die Resolution aus dem Jahr 2006 fordert das Ende von Kämpfen und eine waffenfreie Grenzzone. Das Waffenstillstandsabkommen vom 27. November sieht vor, dass sich die Hisbollah-Kämpfer circa 30 Kilometer hinter die Grenze zurückziehen. Israel sagt, die Hisbollah halte sich nicht daran. Trotz Abkommen scheint sie weiter Waffenlieferungen aus dem Iran zu erhalten.
Israel hält noch fünf Punkte im Südlibanon durch seine Militärpräsenz besetzt und verletzt damit seinerseits das Abkommen. Unifil und die libanesische Armee arbeiten nach eigenen Angaben daran, die Waffendepots der Hisbollah aufzusuchen und zu zerstören. Einen Zeitplan für den endgültigen Truppenabzug oder die Räumung der Hisbollah-Stellungen gibt es nicht.
Hoffnung auf Diplomatie
Libanons Regierung wirft Israels Armee zahlreiche Verstöße gegen das Abkommen vor. Parlamentssprecher Nabih Berri sprach am Sonntag von 1.500 israelischen Verstößen. Berri ist Verbündeter der Hisbollah.
Ein Komitee aus der libanesischen Armee, Unifil, Frankreich und den USA überwacht das Abkommen. Das Komitee gibt keine Zahlen heraus. Auf libanesischer Seite ist es auf Daten der libanesischen Armee und von Unifil angewiesen. Bei seiner letzten Sitzung hieß es, dass der Libanon seinen Verpflichtungen nachkomme, die meisten Verstöße von israelischer Seite ausgingen, so eine libanesische Militärquelle gegenüber L’Orient.
Durch das Abkommen ging die Gewalt deutlich zurück, berichtet die internationale Organisation ACLED, die Konfliktdaten sammelt. In den ersten zwei Monaten habe das israelische Militär aber über 330 israelische Granaten- und Luftangriffe durchgeführt und Bodentruppen hätten ihre „Zerstörungsaktionen im Südlibanon erheblich verstärkt“. ACLED zählte im Dezember und Januar über 260 Zerstörungen von Wohnhäusern, Straßen und anderen zivilen Infrastrukturen.
Hoffnung liegt nicht nur darauf, dass der libanesische Staat durch eine neue Regierung gestärkt und die Hisbollah massiv geschwächt ist, sondern auf Gesprächen zwischen Libanon und Israel, vermittelt durch Frankreich und die USA im Unifil-Hauptquartier im südlibanesischen Naqoura. Der libanesische Außenminister Joe Rajji erklärte, er habe diplomatische Kontakte geknüpft, mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Aboul Gheit, und der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas, die am Montag Israel besucht.
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