Nach Antisemitismus-Vorwürfen: Hochschulpräsidentin hört auf
Der Senat der HAWK Hildesheim entzog Präsidentin Christiane Dienel das Vertrauen. Ein externes Gutachten steht noch aus.
Die bereits im Mai ausgesprochene Wahlempfehlung für weitere acht Jahre nahm er mit 14 zu 5 Stimmen wieder zurück. Als Begründung führte der Senat in einer schriftlichen Erklärung an, dass Dienels „Krisenmanagement infolge der Antisemitismusvorwürfe der Hochschule schadet“. Die entstandenen „Verwerfungen“ könnten nicht mehr von den amtierenden Präsidentin behoben werden.
Die Versäumnisse soll Dienel im Umgang mit einem Seminar begangen haben, das seit Jahren in der Kritik stand. Die Lehrveranstaltung „Zur sozialen Lage von Jugendlichen in Palästina“ soll den Nahostkonflikt einseitig und antiisraelisch dargestellt haben.
Als sich im Juli eine als Lehrbeauftragte angefragte Religionspädagogin kritisch zu dem Kursmaterial äußerte, stellte sich Dienel zunächst schützend vor die Seminarleiterin und die verantwortliche Dekanin.
Enttäuschung bei Dienel
Erst später räumte sie ein, der betroffenen Fakultät habe es an Gespür im Umgang mit dem umstrittenen Seminar und bei der Auswahl der Dozenten gemangelt. Außerdem habe die Fakultät sie nicht angemessen und vollständig informiert.
In einem Interview mit der taz Mitte Oktober räumte Dienel auch persönliche Fehler ein: „Ich muss mich selbst fragen, wo ich nicht sensibel genug gewesen bin. Ich habe zweifellos aus der Rolle der Hochschulpräsidentin gehandelt, die eine Einmischung von außen verhindern wollte.“
Die Entscheidung des Senats wollte Dienel gegenüber der taz nicht kommentieren. In einer persönlichen Mitteilung am Mittwochabend hatte sie jedoch ihre Enttäuschung über die De-facto-Abwahl ausgedrückt.
Hochschule als „Hassfabrik“?
„Eine Verletzung meiner Dienstpflichten kann ich an keiner Stelle erkennen“, heißt es darin. Ihre öffentlichen Stellungnahmen habe sie bereits an anderer Stelle bedauert. „Niemals jedoch – und darauf bestehe ich ganz ausdrücklich – habe ich in irgendeiner Form den Verdacht des Antisemitismus verharmlost oder inakzeptable Formen von Kritik an Israel in Schutz genommen.“
Die Antisemitismusvorwürfe haben auch die Landespolitik beschäftigt. Nachdem der Sprecher des israelischen Außenministeriums die HAWK im Juli als „Hassfabrik“ bezeichnete, forderte Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajić (Grüne) ein externes Gutachten.
Dafür wurde das Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin beauftragt. Das Ergebnis wird für den 15. November erwartet.Der HAWK-Senat teilte mit, er gehe bereits jetzt davon aus, dass in dem Seminar keine Standards eingehalten wurden. Weitere Schritte wolle er in der nächsten Sitzung entscheiden.
Im August hatte die Hochschule beschlossen, das Seminar nicht mehr anzubieten und sich von der betreffenden Dozentin zu trennen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour