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Nach Anschlag in HalleProteste gegen Antisemitismus

Nach dem Anschlag von Halle haben Tausende gegen rechtsextreme Gewalt protestiert. Der Zentralrats-Chef widersprach dem Landesinnenminister.

Auf die Straße gegen Hass auf Juden: Demonstrantin mit israelischer Flagge in Berlin Foto: dpa

BERLIN taz | Mehr als zehntausend Menschen haben am Wochenende gegen Antisemitismus und rechtsextreme Gewalt protestiert. Allein in Berlin kamen am Sonntagnachmittag mindestens 8.000 Menschen auf dem Bebelplatz zusammen, die Veranstalter der Initiative „Unteilbar“ sprachen von 16.000 Teilnehmern. Sie liefen in einem Trauermarsch zur Neuen Syna­goge im Mitte. Am Nachmittag begann auch in Halle an der Saale eine Kundgebung gegen Antisemitismus. Im Hamburg demonstrierten schon am Samstag rund 1.200 Menschen. In der hessischen Universitätsstadt Marburg gingen rund 3.000 Menschen auf die Straße.

Ein schwerbewaffneter Rechtsextremist hatte am Mittwoch versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen, wo gerade der Gottesdienst zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur stattfand. Nachdem der Versuch an der stabilen und verschlossenen Eingangstür gescheitert war, hatte er vor der Synagoge und in einem Döner-Imbiss zwei Menschen erschossen. Der 27-Jährige sitzt in Untersuchungshaft. Er hat antisemitische und rechtsextremistische Motive bestätigt. Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verlangte eine weitere Stärkung der Sicherheitsbehörden. Der Minister warb für neue Stellen bei Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz sowie neue gesetzliche Auskunftspflichten für soziale Netzwerke wie Facebook: Anbieter sollen verpflichtet werden, Straftaten und auch IP-Adressen mitzuteilen, über die Nutzer identifiziert werden können.

Politiker warfen der AfD vor, sie bereite einen Nährboden für Taten wie in Halle, was die Partei von sich wies. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt riefen nach einer Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz. Der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner forderte ein Verbot oder Identitären Bewegung. Die Linksfraktion verlangte ein „Anti-Terror-Paket gegen rechts“. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) forderte ein stringenteres Vorgehen von Sicherheits- und Justizbehörden: „Antisemitische Straftaten müssen mit aller Konsequenz verfolgt werden“, sagte sie.

Streit um die Sicherheit

Synagogen und jüdische Einrichtungen werden seit dem Attentat bundesweit stärker von der Polizei bewacht. Das Gotteshaus in Halle war zuvor nur gelegentlich von der Polizei angefahren worden.

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, widersprach Aussagen von Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU). Es sei unzutreffend, dass die Polizei den Bitten der Jüdischen Gemeinde in der Vergangenheit stets nachgekommen sei, erklärte Schuster am Sonntag.

Es sei irritierend, dass Stahlknecht zu der Bewertung gelange, die Sicherheitsbehörden hätten sich keine Vorwürfe zu machen. „Bei einer derart unkritischen Bewertung muss man sich zwangsläufig die Frage stellen, ob die Bereitschaft besteht, aus begangenen Fehlern Lehren zu ziehen“, so Schuster weiter.

Zuvor hatte bereits der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Halle, Max Privorozki, fehlenden Polizeischutz beklagt. Die Behörden hätten der Gemeinde mehrfach Schutz verweigert, als er konkret darum gebeten habe.

Stahlknecht wies diese Aussagen zurück. Er könne nachweisen, dass man keine Bitte um Schutz ausgeschlagen habe. Auch für den wichtigsten jüdischen Feiertag, Jom Kippur, am vergangenen Mittwoch habe es vorab keine Bitte um Schutzmaßnahmen gegeben.

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7 Kommentare

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  • Ich komme aus Halle und war in den letzten Tagen und heute bei verschiedenen Demos und Gedenkveranstaltungen. Was dabei bemerkenswert war: Es waren dort Leute aus gesellschaftlichen Gruppen versammelt, die sonst nicht viel miteinander zu tun haben dürften, geschweige denn zusammen demonstrieren würden. Junge und ältere Leute, AnwohnerInnen und weiter Gereiste, AnhängerInnen des deutschen Schlagers (die ermordete Jana war ein bekannter Schlagerfan), Leute aus christlichen Gemeinden, die an der Synagoge "Shalom Khaverim" sangen, HFC-Fans (wegen dem ermordeten HFC-Fan Kevin, und die sangen dann eben auch zum Gedenken HFC-Gesänge am Döner-Imbiss, und das war voll OK), kurdische Demonstranten mit ihren Fahnen (ach stimmt ja, in von Kurden bewohnte Gebiete marschiert gerade ein NATO-Land Arm in Arm mit Freischärlern ein und vertreibt die Bevölkerung), west-, nord-, ost- und süddeutsche und andere nichtkurdische Migrant*innen mit und ohne Kopftuch (ich weiß, manche Leute interessiert das). Na, und die, die sonst auch unermüdlich gegen Rechte Gewalt und Idiotie auf die Straße gehen, die waren sowieso da. Bei der Kundgebung heute schien man sich dann schon langsam aneinander gewöhnt zu haben, alle hörten sich die HFC-Fußball-Hymne an (war für mich auch das erste Mal), einen Lieblings-Schlager und ein jüdisches Lied. Neben anderen wandte sich auch der Inhaber des Döner-Bistros mit einer unverschnörkelten, aber authentischen Ansprache in einfachem Deutsch an die TeilnehmerInnen der Gedenkveranstaltung (was ich bewegender und wichtiger fand als Steinmeiers Standard-Betroffenheitsrede). Das war Vielfalt und Toleranz in Aktion. Wenn es das doch öfter gäbe, und ohne solch einen traurigen Anlass! (Gibt´s ja auch bestimmt. Ist bloß nicht so spektakulär für mass media und deren Konsumenten.)

    • @E-Bob:

      Danke, das ist für mich ein kleiner Trost.

  • Mal nebenbei, ist es so schwer "Halle an der Saale" oder "Halle (Saale)" zu schreiben?

  • Liebe TAZ,



    warum dieses Bild mit der Israel-Fahne wenn es hier um Antisemitismus geht?

    Bitte nicht alle Juden mit dem Staat Israel in einem Topf schmeissen. Viele Juden empfinden dies als eine antisemitische Trope, dass alle Juden MÜSSEN mit diesem Staat sich identifizieren. Das ist falsch und verletzend.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Ninetto:

      Israel ist der sichere Hafen für alle Juden weltweit.

      Können Sie Ihre Anti-Israel-Attitüden nicht wenigstens einmal bei diesem Thema beiseite lassen.

      Es ekelt mich an.

    • 0G
      06313 (Profil gelöscht)
      @Ninetto:

      Vom Prinzip haben Sie recht. Andererseits ist Israel auch die Zielscheibe der Antisemiten, auch wenn sie das als Israelkritik tarnen. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Antisemitismus in Europa wird der Staat Israel als "Schutzraum" für Juden in aller Welt immer wichtiger. Also ist das Foto mit der Israelfahne okay, denn auch wenn nicht alle Juden Israelis sind, könnten sie es theoretisch werden.

      • 7G
        75026 (Profil gelöscht)
        @06313 (Profil gelöscht):

        Da sprechen Sie einen sehr kritischen Punkt an. Wenn es um Solidarität mit dem jüdischen Staat geht, ist es vermutlich vorbei mit der Einigkeit derer, die sich jetzt so eifrig "gegen jeden Antisemitismus" aussprechen.