Nach Anschlag in Halle: Proteste gegen Antisemitismus
Nach dem Anschlag von Halle haben Tausende gegen rechtsextreme Gewalt protestiert. Der Zentralrats-Chef widersprach dem Landesinnenminister.
Ein schwerbewaffneter Rechtsextremist hatte am Mittwoch versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen, wo gerade der Gottesdienst zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur stattfand. Nachdem der Versuch an der stabilen und verschlossenen Eingangstür gescheitert war, hatte er vor der Synagoge und in einem Döner-Imbiss zwei Menschen erschossen. Der 27-Jährige sitzt in Untersuchungshaft. Er hat antisemitische und rechtsextremistische Motive bestätigt. Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verlangte eine weitere Stärkung der Sicherheitsbehörden. Der Minister warb für neue Stellen bei Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz sowie neue gesetzliche Auskunftspflichten für soziale Netzwerke wie Facebook: Anbieter sollen verpflichtet werden, Straftaten und auch IP-Adressen mitzuteilen, über die Nutzer identifiziert werden können.
Politiker warfen der AfD vor, sie bereite einen Nährboden für Taten wie in Halle, was die Partei von sich wies. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt riefen nach einer Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz. Der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner forderte ein Verbot oder Identitären Bewegung. Die Linksfraktion verlangte ein „Anti-Terror-Paket gegen rechts“. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) forderte ein stringenteres Vorgehen von Sicherheits- und Justizbehörden: „Antisemitische Straftaten müssen mit aller Konsequenz verfolgt werden“, sagte sie.
Streit um die Sicherheit
Synagogen und jüdische Einrichtungen werden seit dem Attentat bundesweit stärker von der Polizei bewacht. Das Gotteshaus in Halle war zuvor nur gelegentlich von der Polizei angefahren worden.
Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, widersprach Aussagen von Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU). Es sei unzutreffend, dass die Polizei den Bitten der Jüdischen Gemeinde in der Vergangenheit stets nachgekommen sei, erklärte Schuster am Sonntag.
Es sei irritierend, dass Stahlknecht zu der Bewertung gelange, die Sicherheitsbehörden hätten sich keine Vorwürfe zu machen. „Bei einer derart unkritischen Bewertung muss man sich zwangsläufig die Frage stellen, ob die Bereitschaft besteht, aus begangenen Fehlern Lehren zu ziehen“, so Schuster weiter.
Zuvor hatte bereits der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Halle, Max Privorozki, fehlenden Polizeischutz beklagt. Die Behörden hätten der Gemeinde mehrfach Schutz verweigert, als er konkret darum gebeten habe.
Stahlknecht wies diese Aussagen zurück. Er könne nachweisen, dass man keine Bitte um Schutz ausgeschlagen habe. Auch für den wichtigsten jüdischen Feiertag, Jom Kippur, am vergangenen Mittwoch habe es vorab keine Bitte um Schutzmaßnahmen gegeben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen