Nach Anschlag in Frankreich: Höchste Alarmstufe ausgerufen
Drei Jahre nach dem Attentat auf Samuel Paty stirbt ein Lehrer durch einen wohl dschihadistischen Angriff. Der mutmaßliche Täter war behördenbekannt.
Bisher hat der Tatverdächtige von Arras bei der Befragung durch die Polizei geschwiegen. Laut Zeugen aber soll er „Allahu akbar“ gerufen haben, als er am Freitagvormittag im Schulhof des Lycée Gambetta den Französischlehrer Dominique Bernard mit einem Messer angriff und dabei so schwer verletzte, dass dieser noch auf dem Weg ins Krankenhaus verstarb.
Ob der Angriff in direktem Zusammenhang mit dem derzeit wieder akut aufgeflammten Konflikt im Nahen Osten besteht, ist bisher unklar. Am Montag jährt sich zudem zum dritten Mal das Attentat von Conflans-Sainte-Honorine, wo am 16. Oktober 2020 ein junger tschetschenischer Islamist den Geschichtslehrer Samuel Paty enthauptete.
Wie auf diversen Video online zu sehen ist, hatte Bernard versucht, auf den Angreifer einzureden. Auch ein zweiter Lehrer und ein Schulhofmeister versuchten zu intervenieren und wurden dabei erheblich verletzt.
Mutmaßlicher Täter stammt aus Inguschetien in Russland
Die sogleich alarmierte Polizei traf bereits wenige Minuten danach am Tatort ein und konnte in der Nähe den mutmaßlichen Täter festnehmen. Der war den Behörden bekannt: Der 20-jährige Mohammed M., der früher diese Mittelschule besucht hatte, wurde als Gefährder überwacht. Damit ist er nicht der Einzige seiner aus dem russischen Inguschetien zugewanderten Familie: Ein älterer Bruder ist wegen Terrorismus in Haft, ein jüngerer wurde am Freitag, angeblich in der Nähe einer Schule, ebenfalls festgenommen. Acht der derzeit zwölf Personen, die sich wegen des Attentats am Freitag in Polizeihaft befinden, sind Mitglieder derselben Familie. Die Behörden hatten offenbar vergeblich versucht, diese Familie nach Russland abzuschieben.
Das führt zu Diskussionen um die Gesetzgebung, die den Umgang mit als Sicherheitsrisiko eingestuften Personen regelt: Sie untersagte die Rückschaffung des 20-Jährigen Mohammed M., weil der vor dem 13. Lebensjahr nach Frankreich gekommen war. Innenminister Gérald Darmanin fordert nach polemischer Kritik von rechts eine „systematische Abschiebung von Gefährdern“, obschon er weiß, dass dafür Regeln bestehen und die betroffenen Länder außerdem ihre Zustimmung für eine zwangsweise Rückschaffung geben müssen. Auf der Liste der als „Fiche S“ – als Sicherheitsrisiko – registrierten Dschihadisten und anderer Mitglieder extremistischer Gruppen stehen rund 10.000 Personen.
Besonders groß ist der Schock im Bildungssystem, weil in Arras erneut ein Lehrer Opfer eines wohl dschihadistischen Attentats ist. Mit Paty und jetzt Bernard sei die laizistische Schule der Republik angegriffen worden, schreiben diverse Medien. Die Vorstellung, dass Lehrer*innen als solche im Visier islamistischer Terroristen stehen, ist für viele erschreckend.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos