Nach Affäre: Treberhilfe vor der Pleite

Die Obdachlosenhilfe kann ihre Rechnungen nicht mehr zahlen, die Insolvenz ist kaum zu vermeiden. Viele Mitarbeiter halten das für eine annehmbare Lösung. Das Diakonische Werk bereitet einen Neustart vor.

Das war der Stein des Anstoßes: Maserati des Treberhilfe-Chef. Bild: dpa, Wolfgang Kumm

Die Treberhilfe steht vor dem Aus. Durch die Maßlosigkeit und unsolide Unternehmensführung des ehemaligen Geschäftsführers Harald Ehlert sei die Insolvenz unabwendbar, berichteten jetzige und frühere Mitarbeiter der Obdachlosenhilfe der taz. Die Treberhilfe steht seit Februar durch das Geschäftsgebahrens ihres Ex-Chefs in der öffentlichen Kritik (siehe Kasten). Sie beschäftigt derzeit 260 Mitarbeiter und betreut rund 3.000 Obdachlose. Um deren Zukunft im Falle der Insolvenz zu sichern, bereitet das Diakonische Werk eine Auffanggesellschaft vor.

"Die Treberhilfe steht an der Kante des Abgrunds", heißt es aus Mitarbeiterkreisen. Für den Kauf von Häusern und Grundstücken seien so hohe Kredite aufgenommen worden, dass das Unternehmen in massiven Zahlungsschwierigkeiten stecke. Mieten würden zu spät überwiesen, offene Forderungen von Gläubigern würden sich in den Büros stapeln. Auch seien erste Mitarbeiter entlassen worden, über die Schließung von Einrichtungen werde im Unternehmen, so mehrere Mitarbeiter, offen diskutiert. Bereits Anfang April hatte der nach nur einem Monat wieder freigestellte Geschäftsführer Jens Fischer auf die "angespannte Liquiditätslage" des Unternehmens hingewiesen. Weder die Treberhilfe noch ihr Ex-Chef wollen sich derzeit gegenüber der taz zur finanziellen Situation des Unternehmens äußern.

Die als gemeinnützig anerkannte Treberhilfe finanziert sich aus Zuwendungen von Senat, Bezirken und Spendengeldern. Sie betreut rund 3.000 Obdachlose.

Anfang Februar wird bekannt, dass der Chef der Treberhilfe Harald Ehlert einen Maserati im Wert von rund 100.000 Euro als Dienstwagen fährt. Kurz darauf berichten Medien von Ehlerts angeblichen Jahresgehalt von 300.000 Euro.

Der Senat und der Dachverband des Unternehmens, das Diakonische Werk, erstatten daraufhin Strafanzeige. Ende März nimmt die Berliner Staatsanwaltschaft die Ermittlungen auf und untersucht die Büroräume der Treberhilfe. Es gebe einen begründeten Anfangsverdacht auf Untreue und eine Steuerstraftat, so die Begründung.

Im Februar wird ein Aufsichtsrat bestellt, Mitte März tritt Ehlert als Geschäftsführer zurück. Nach Einschätzung ehemaliger und derzeitiger Mitarbeiter hat sich aber an der intransparenten Struktur des Unternehmens nichts verändert: "Da sitzen fünf getreue Majonetten, und Ehlert zieht dahinter nach wie vor die Strippen".

Nach Ansicht der Mitarbeiter ist die prekäre Finanzlage nicht nur unsolidem Wirtschaften in der Vergangenheit geschuldet: Auch die Zahlen der Klienten gingen leicht zurück. Durch den Skandal seien Hilfesuchende und Beratungsstellen skeptischer gegenüber der Treberhilfe geworden.

In den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg haben sich die Sozialstadträte entschieden, mit der Treberhilfe keine neuen Verträge mehr abzuschließen - wenn dies denn möglich ist. Genau da liegt jedoch die Schwierigkeit: Denn im Wohnungslosenbereich gibt es kaum Alternativen. Zudem sei aufgrund fehlender Sozialanalysen in der Wohnungslosenhilfe völlig unklar, "welcher Bedarf eigentlich besteht", kritisiert die grüne Sozialstadträtin von Tempelhof-Schöneberg, Sybill Klotz.

Sollte die Treberhilfe Zahlungsunfähigkeit anmelden, wird ein Insolvenzverwalter über die Zukunft der Einrichtung entscheiden. "Wir bereiten für diesen Fall eine Auffanggesellschaft vor", sagte Diakonie-Vorstand Thomas Dane am Dienstag. Am Nachmittag bereits hatte die Diakonie offenbar dafür auf ihrer Website eine Stellenanzeige geschaltet. Gesucht werden Sozialarbeiter mit Erfahrungen in der Jugend- und Wohnungslosenhilfe für die gemeinnützige Gesellschaft "Neue Chancen" - dabei handelt es sich wohl um die geplante Auffanggesellschaft.

Ob und gegebenenfalls wie viele der jetzigen Mitarbeiter darin übernommen werden, hängt vom Insolvenzverwalter ab. In der Belegschaft herrscht angespannte Stimmung, der Krankenstand sei stark gestiegen, sagen Mitarbeiter. Sie hoffen eine schnelle Lösung: Denn wenn sich das Gezerre weiter in die Länge ziehe, würden die besten Kollegen gehen.

Auch der Staatssekretär für Soziales, Rainer Maria Fritsch (Linke), sagte seine Unterstützung zu: "Sollte eine Insolvenz eintreten und der Insolvenzverwalter die Übertragung auf einen anderen Träger beschließen, wird der Senat eine schnelle Abwicklung der Betreuungsverträge gewährleisten."

Sollte sich die Prophezeiungen nicht bewahrheiten und das Unternehmen zahlungsfähig bleiben, hängt trotzdem das Damoklesschwert in Gestalt von Staatsanwaltschaft und Finanzverwaltung über der Obdachlosenhilfe: Ergeben deren Ermittlungen, dass der Treberhilfe die Gemeinnützigkeit aberkannt wird, werden sie Steuernachzahlungen ziemlich sicher in den Ruin treiben. Die Insolvenz ist also nur eine Frage der Zeit.

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