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Nach Abschiebungen wieder Kirchenbesetzungen in Norwegen

■ Berichte über Folter von Kosovo-AlbanerInnen

Stockholm (taz) – Sechs kurz vor Weihnachten aus Norwegen ausgewiesene kosovo-albanische Asylsuchende sind bei ihrer Heimkehr von serbischer Polizei gefoltert und mißhandelt worden. Nach Auskunft der unabhängigen Gewerkschaft des Kosovo, der BSPK, wurden sie teils an der Grenze von serbisch kontrollierter Polizei verhört, teils auch aus ihren Wohnungen – sie stammen aus Mitrovica und Vacitarna – abgeholt und zu Verhören gebracht. Bei diesen Verhören seien sie gefoltert worden, weil man ihren Aussagen darüber, was sie im Ausland gemacht hätten, nicht glaubte. Informationen über die Mißhandlungen, die der Vizepräsident der BSPK, Aziz Abrashi, gegenüber norwegischen Journalisten machte, sind nach Einschätzungen des Osloer Theologieprofessors Berge Furre durchaus glaubwürdig.

Berge Furre hatte sich selbst im Dezember zwei Wochen im Kosovo aufgehalten, um sich ein Bild von der Situation der albanischen Bevölkerungsmehrheit zu machen. Das Resümee seiner Reise: ein Rapport mit dem Titel „Apartheid in Europa“. Besetzung, ethnische Säuberungen, wirtschaftliche Not und eine Unterdrückung, die man mit dem Apartheidsystem Südafrikas vergleichen müsse, hat Furre in diesem Bericht beschrieben. Während seines Aufenthalts war er auch in Kontakt zur BSPK gekommen, die er als „unabhängige und durchaus gemäßigte“ Organisation einschätzt.

Furre hatte nach seinem Besuch durch einen vom BSPK-Generalsekretär Hajrullah Burani unterzeichneten Brief erste Hinweise darauf erhalten, daß zurückkehrende abgewiesene Asylsuchende offenbar systematisch von Sicherheitskräften befragt und dabei auch mißhandelt würden. Nach Weihnachten waren diese Hinweise durch ein Telefax mit Namen von aus Norwegen ausgewiesenen Flüchtlingen ergänzt worden, die sich als zutreffend erwiesen hatten.

Das norwegische Innenministerium beurteilt die Aussagen als „in höchstem Maße schwerwiegend“, hat aber offenbar zunächst nicht vor, die Asylpraxis gegenüber kosovo-albanischen Flüchtlingen zu ändern. Alle Flüchtlinge, die nach dem 19. November ins Land gekommen sind, müssen mit einer Ablehnung ihrer Asylanträge rechnen. Nach ersten negativen Entscheidungen Mitte Januar sind mittlerweile bereits wieder neun Kirchen in Oslo, Trondheim und Tromsö von über 60 Flüchtlingen besetzt worden, die dort Kirchenasyl erhalten haben.

Da seit Mitte November etwa 1.000 kosovo-albanische Flüchtlinge nach Norwegen gekommen sind, bereiten sich verschiedene Kirchengemeinden auf eine neue Welle von Kirchenflüchtlingen vor und haben Vorbereitungen für deren Aufnahme getroffen. Henrik Broberg von SOS Rasisme aus dem nordnorwegischen Tromsö, der führend bei der letzten Kirchenasylbewegung engagiert war, schätzt, daß über 80 Prozent der Gemeinden, die im letzten Jahr die Türen der Kirchen für die Aufnahme von Flüchtlingen geöffnet hatten, dies auch jetzt wieder tun werden. Unabhängig davon, wie sich die Bischöfe zu einer neuen Flüchtlingswelle verhalten werden.

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