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Nabu verleiht „Dinosaurier des Jahres“Die Öko-Frevler 2023

Windräder, Schienen und Wohnungen sollen schneller gebaut werden. Der Nabu straft die Reformen mit dem Schmähpreis „Dinosaurier des Jahres“ ab.

Der sechsspurige Ausbau der Autobahn A8 bei Pforzheim Foto: Uli Deck/dpa

Berlin taz | Lässt sich dagegen wirklich etwas sagen? „Deutschland muss schneller werden“, erklärt die Bundesregierung, „mehr erneuerbare Energie, klimafreundlich wirtschaften, mehr Wohnraum, leistungsfähige Straßen, Schienen und Brücken – dringende Aufgaben, die keinen zeitlichen Aufschub dulden.“

SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz hat darum im November mit den Ländern einen „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ geschlossen. Darin 100 Maßnahmen, von denen die ersten ab Ende März 2024 greifen sollen. Nun verleiht der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) diesem Pakt den Anti-Umweltpreis „Dinosaurier des Jahres“. Begründung: Er drohe „auch die Naturkrise zu beschleunigen“.

Schon seit 1993 zeichnet der Nabu immer am Ende eines Jahres die größten Umweltsünder und -sünden aus. Es traf schon Bundeswirtschaftsminister, Bauernpräsidenten oder Bauprojekte, nun das neue Deutschlandtempo. Der Ruf nach dem neuen Gesetzespaket sei „verständlich“, sagte Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger zur taz, „doch werden Böden asphaltiert, betoniert und bebaut, hat das zum Beispiel Auswirkungen auf die Bildung von neuem Grundwasser. Das Regenwasser kann dann nicht mehr versickern, sondern wird einfach in die Kanalisation abgeleitet.“ Solche Eingriffe in die Natur müssten gut geprüft werde.

Die Hitzewellen. Die Dürren. Die Sorgen um das Wasser oder den Wald, der unter Trockenstress und Borkenkäfern leidet, nehmen zu. Allein zwischen 2018 und 2021, rechnet Krüger vor, seien fünf Prozent der Waldfläche Deutschlands zerstört worden und damit Bäume verloren gegangen, die zum Beispiel auch Trinkwasser filtern. Der Pakt zur Planungsbeschleunigung drehe aber Errungenschaften beim Schutz von Boden, Wasser, Luft, Flora und Fauna zurück.

Nicht alles schlecht am Beschleunigungspakt

Mancher begründe den schnellen Bau von Solar- oder Windanlagen zwar mit dem dringenden Kampf gegen die Erderhitzung. „Aber zu meinen, wir machen erst mal Klimaschutz, um die Natur kümmern wir uns später, ist naiv“, so Krüger, „der Grundwasserhaushalt oder die Ökosysteme lassen sich später ja nicht einfach wieder reparieren.“ Die Ampelregierung habe in ihrem Koalitionsvertrag auch versprochen, den geplanten Umbau Deutschlands nicht gegen den Naturschutz auszuspielen – und täte es im Pakt mit den Ländern nun doch.

Darin sei nicht alles schlecht. Planungsanträge sollen künftig digital eingereicht werden können. Mit einem neuen bundesweiten Umweltdatenkataster sollen Daten und Expertise aus früheren Genehmigungsverfahren zugänglich gemacht werden. Das ist für Krüger „alles gutes Handwerkszeug“.

Doch wollen Bund und Länder bei Ersatzbauten für marode Infrastrukturen künftig möglichst auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichten. Bei Vorhaben im öffentlichen Interesse sollen Bagger dann ohne neuen Check anrollen dürfen, Klagen von Umweltverbänden sollen erschwert werden.

„Wir brauchen wahrscheinlich 20 neue Stadtteile in den meistgefragten Städten und Regionen – so wie in den 70er Jahren“, hatte der Kanzler erst vor kurzem gefordert. Krüger lastet den Abbau von Umweltstandards aber vor allem den Bundesländern an: „Die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder haben die Maßnahmen vorgeschlagen, mit denen die Belange von Umwelt- und Naturschutz zurückgedrängt werden.“ Deshalb schicken die Naturschützer vom Nabu den 2,6 Kilogramm schweren, aus Zinn gegossenen „Dinosaurier“ an diesem Donnerstag per Express stellvertretend an den Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz, den hessischen CDU-Ministerpräsidenten Boris Rhein.

Dabei, so Krüger, helfe der Abbau von Ökostandards am Ende wenig. Es hake nicht am Umweltschutz, sondern an fehlendem Personal in den Behörden und überbordender Bürokratie. So fehlten der Erneuerbare-Energien-Industrie zum Beispiel nicht mehr die Flächen, um ihre Windkraftanlagen aufzubauen, seit beschlossen wurde, dass die Länder im Schnitt zwei Prozent ihrer Flächen für Windkraft reservieren müssen.

Ihr machten vielmehr die vielen Genehmigungen und Erlasse Probleme, die nötig seien, um die Flügel und andere Bauteile über die Straße zu transportieren. Krüger schlägt darum vor: „Wer schneller bauen will, muss sich mit jeder Branche zusammensetzen, um herauszufinden, wo es wirklich Probleme gibt.“

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