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Nabu-Expertin über Wildtiertelefon„Ruhig bleiben“

Berlin hat ein neues Wildtiertelefon. Anja Sorges vom Nabu über Waschbären in Reihenhaussiedlungen und erboste Wildsäue.

Bei diesem Blick geben Metropolenbewohner Fersengeld Bild: dpa
Interview von Claudius Prösser

taz: Frau Sorges, seit Anfang April hat Berlin ein Wildtiertelefon, bei dem Bürger sich beraten lassen können. Wozu das? Ist die Stadt wilder geworden?

Anja Sorges: Es gibt durchaus mehr Kontakte mit Wildtieren. Berlin ist sowieso eine sehr grüne Stadt, und auch unser Freizeitverhalten verlagert sich zunehmend in grüne Bereiche. Fast jeder hat ein Gärtchen oder ist am Wochenende in einem der großen Parks unterwegs. Trotz des starken Drangs in die Städte vergisst der Mensch ja nicht die grüne Seele, die er irgendwann mal mitbekommen hat.

Und wozu braucht dieser Mensch ein Wildtiertelefon?

Es gibt viele Städter, die Fragen oder Befürchtungen haben, wenn sie mit einem Tier in Berührung kommen. Da ist das Telefon dann eine Anlaufstelle, bei der man Antworten bekommt – von der Frage, wieso da Wildschweine im Park herumlaufen, bis hin zu „Wie kriege ich einen Waschbären aus meinem Schuppen raus?“.

Aber die Idee mit dem Telefon ist neu.

Nein, bisher konnte man schon bei den Berliner Forsten anrufen, während wir als Nabu parallel Beratung zum Thema Wildvögel angeboten haben. Jetzt haben wir zusammen mit den Forsten und der Senatsverwaltung für Umwelt überlegt, wie man das Angebot am besten bündelt. Das Nabu-Telefon ist vorerst auf zwei Jahre befristet; aber wenn es gut läuft, haben wir durchaus Interesse, das länger zu machen.

Welchen Wildtieren begegnet man denn so in Berlin? Stimmt es, dass im Landwehrkanal Schildkröten leben?

Das stimmt, aber dabei handelt es sich um ehemalige Haustiere, die irgendjemand ausgesetzt hat. Gängig sind Begegnungen mit Wildschwein, Waschbär, Fuchs, Reh, Hase oder Kaninchen.

Im Interview: Anja Sorges

ist Forstwissenschaftlerin und hat bei der Heinz-Sielmann-Stiftung gearbeitet. Sie ist Geschäftsführerin des Berliner Nabu-Landesverbands.

Wobei der Waschbär ja auch keine heimische Spezies ist.

Richtig, er ist erst im 20. Jahrhundert als Pelzlieferant eingeführt worden, hat sich aber stark verbreitet. Wir beobachten, dass er sich auch weiterhin neue Lebensräume erschließt. Waschbären haben nicht viel Angst vor Menschen, sie können mit den Strukturen einer Reihenhaussiedlung durchaus etwas anfangen und sind sogar in der Lage, Mülltonnen nach essbarem Inhalt zu durchsuchen.

Wie oft kommt es zu gefährlichen Situationen mit Wildtieren?

Das ist ganz schwer einzuschätzen. Wir bekommen die Situation ja nur geschildert. Und ein Fall, bei dem wir selbst vielleicht „Stell dich mal nicht so an“ sagen würden, kann bei Oma Trude absolute Panik auslösen. Wir nehmen jeden Anruf ernst und versuchen herauszufinden, was Sache ist: Möchte jemand einfach von einem erstaunlichen Erlebnis berichten? Oder braucht er eine Einschätzung, ob eine Situation tatsächlich gefährlich war? Wir helfen dann bei der Einordnung.

Gibt es denn gefährliche Tiere in Berlin?

Es gibt Situationen, in denen man aufpassen muss. Eine Wildsau mit Frischlingen, die noch die typische Streifenfärbung haben, kann ruppig werden. Sie kann sogar kräftig beißen.

Und was macht man da?

Wir sagen immer: Ruhig bleiben, Rückwärtsgang einlegen und weggehen. Und auf keinen Fall den kleinen Schweinchen näher kommen.

Was ist mit Tollwut?

Deutschlandweit hat es seit mehreren Jahren keinerlei Fälle mehr gegeben. Wir sind also tollwutfrei, da muss man sich keine Sorgen machen.

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2 Kommentare

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  • Was für ein Unsinn! Daß Fuchs und Hase (schon gut, in den Parks sind es Wildkaninchen) harmlos sind, wird wohl jeder wissen. Und den Vollidioten, welche die Wildschweine auch noch aus der Hand fressen lassen und sich dann wundern, wenn sie gebissen werden, also denen ist mit einem "Wildtiertelefon" auch nicht zu helfen.

     

    Da gab es erst vor ein paar Tagen im Grunewald eine herzerfrischende Szene: eine Wildsau frischte mitten auf einem Waldweg, und etliche Leute ließen ihre Hunde um sie herumspringen. Oh Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!

  • Ich finde das sehr gut und mehr als überfällig. Als ich 2001, Studentin, noch in Berlin wohnend, morgens um halb neun, ein Reh im Hinterhof eines Mehrfamilienhauses in der Berlepschstrasse in Zehlendorf vorfand, und daraufhin den Amtstierarzt anrief, weil mehrere Nachbarn älteren Semesters leider nichts Besseres zu tun hatten, als das "gefährliche Wildtier" nicht einfach bis zur nächsten Nacht in Ruhe zu lassen, nein, sondern das arme, völlig verschreckte Tier nach vorne raus auf die befahrene und an beiden Seiten zugeparkte Straße zu treiben, musste ich mich vom Amtstierarzt auslachen lassen, ich solle mal bei der Polizei anrufen, er sei dafür nicht zuständig. Vorher hatte ich selbstverständlich bei der Polizei angerufen, die fühlten sich nur leider auch nicht zuständig. Also wusste ich nicht, wen ich sonst anrufen sollte. Endeffekt: Mehrere verschrammte, geparkte Autos und ein Reh, das fast einen Verkehrsunfall ausgelöst hätte, als es wie von Sinnen versuchte, vor den mit den Armen wedelnden und klatschenden Rentnern zu entkommen. So was ist einfach nur bescheuert. Und es zeigt, dass Berliner (ich bin selbst eine) dringend Hilfe im vernünftigen Umgang mit Wildtieren brauchen. Würde mich nicht wundern, wenn das arme Vieh nachher an nem Herzinfarkt krepiert ist. Frag mich, was so eine Aktion bringen sollte?!