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NSU-Prozess in MünchenKein Platz für türkischen Botschafter

Der NSU-Untersuchungsausschuss versuchte einen Sitzplatz für einen türkischen Diplomaten zu reservieren. Das Münchner Gericht ließ sich darauf nicht ein – ein Eklat.

Findet die Haltung des Gerichts unangemessen: Sebastian Edathy, Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses Bild: dpa

BERLIN dpa | Der türkische Botschafter und der Menschenrechtsbeauftragte des türkischen Parlaments bekommen beim NSU-Prozess einem Zeitungsbericht zufolge keinen festen Platz im Gerichtssaal.

Das Münchner Oberlandesgericht habe die Bitte des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag um Sitzplatzreservierungen abgelehnt, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Es gebe wenig Platz, habe es zur Begründung geheißen. Ausnahmen würden nicht gemacht. Die beiden Männer könnten aber als Teil der allgemeinen Öffentlichkeit ins Gericht kommen.

Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy (SPD), nannte die Haltung des Gerichts „unangemessen“ und „nicht nachvollziehbar“. „Soll sich der türkische Botschafter etwa in die Schlange der Besucher einreihen, zusammen mit Neonazis, die zum Prozess wollen?“, sagte er dem Blatt. Das Gericht verkenne die „außenpolitischen Implikationen“.

Der Prozess gegen die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer und Unterstützer der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ beginnt am 17. April. Dem NSU werden zehn Morde zugerechnet. Opfer waren neun türkisch- und griechischstämmige Kleinunternehmer und eine Polizistin.

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20 Kommentare

 / 
  • JL
    johann lindner

    In der Tat ist das ein Eklat! Angesichts der schlimmen Verbrechen, die zur Anklage stehen, muß man dem türkischen Botschafter unbedingt Zugang und Sitzplatz gewähren. Gerade als Zeichen der Öffnung der Deutschen gegenüber und Akzeptanz unserer türkischen Mitbürger sollte hier ein Zeichen gesetzt werden.

  • B
    bronto

    Gar nicht so verkehrt, einen türkischen Regierungsvertreter dazu zu laden.

    Dann könnte auch gleich vor Ort geklärt werden, warum die türkischen Ermittlungsbehörden, die nämlich bei der Aufklärung hinzu gezogen wurden, die OK-Theorie die ganze Zeit gestützt haben.

  • L
    lowandorder

    Herrschaftsgezeiten, was ist das denn hier für ein Sturzacker?

     

    Öffentlichkeit einer Gerichtsverhandlung dient der Kontrolle.

    Öffentlichkeit meint die persönliche Anwesenheit von Zuhörern, Pressevertretern und anderen unbeteiligten Personen.

    Da ein Botschafter kein Pressevertreter ist, gehört er zum Kreis der unbeteiligten Personen, Zuhörer. Ihm - anders als den übrigen Personen dieses Kreises einen festen Platz zu reservieren, könnte eine ungerechtferigte Bevorzugung sein.

    Gründe, aufgrund dessen die Entscheidung des Vorsitzenden zu beanstanden wäre, kann ich nicht erkennen. Umgekehrt: gar einen etwaigen Anspruch qua Stellung etc kennt das Prozessrecht - anders als grundsätzlich bei Pressevertretern qua Funktion - nicht.

    All das aber kein Aufhänger für " Untergang des Abend/Morgenlandes" - gleichviel in welche Richtung.

  • A
    Ant-iPod

    Die Überschrift des Artikels ist unpräzise - das Gericht hat nicht gesagt, dass es keinen Platz gibt, sondern dass es keine Platzreservierung gibt.

     

    Nun weis ich nicht, inwiefern bsw. Presse und sonstigen Vertretern aus Politik und Gesellschaft, oder den Familien hierzu feste Plättze eingeräumt werden - was man dann auch als Begründung heranziehen könnte, dies ebenso für die beiden Türken zu tun. Dazu sagt der Artikel bedauerlicher Weise nichts - insofern sieht Qualitätsjournalismus schon etwas anders aus.

     

    Es wäre sicherlich auch ein nette Geste gewesen, zwei Plätze zu reservieren - aber im Rahmen der Rechtsgleichheit ist es absolut vertretbar, keine Ausnahmen zu machen. Willkür und daraus resultierende Privilegien sind in Deutschland aus gutem Grunde abgeschafft. Sofern es keine rechtliche Grundlage - wie oben erwähnt - gibt, ist die Entscheidung des Gerichts nicht nur zu akzeptieren, sondern folgerichtig gemäß unserer Gesetzeslage.

    Demnach verböte sich eine Kritik am Gericht - denn es ist nicht statthaft, aus persönlicher Betroffenheit allgemeine Rechtsgrundsätze "ausnahmsweise" in Frage zu stellen. Wenn, dann muss eben das Gesetz geändert werden - was Herr Edathy aber m.K. nach nicht vorgeschlagen hat.

  • A
    Ant-iPod

    Die Überschrift des Artikels ist unpräzise - das Gericht hat nicht gesagt, dass es keinen Platz gibt, sondern dass es keine Platzreservierung gibt.

     

    Nun weis ich nicht, inwiefern bsw. Presse und sonstigen Vertretern aus Politik und Gesellschaft, oder den Familien hierzu feste Plättze eingeräumt werden - was man dann auch als Begründung heranziehen könnte, dies ebenso für die beiden Türken zu tun. Dazu sagt der Artikel bedauerlicher Weise nichts - insofern sieht Qualitätsjournalismus schon etwas anders aus.

     

    Es wäre sicherlich auch ein nette Geste gewesen, zwei Plätze zu reservieren - aber im Rahmen der Rechtsgleichheit ist es absolut vertretbar, keine Ausnahmen zu machen. Willkür und daraus resultierende Privilegien sind in Deutschland aus gutem Grunde abgeschafft. Sofern es keine rechtliche Grundlage - wie oben erwähnt - gibt, ist die Entscheidung des Gerichts nicht nur zu akzeptieren, sondern folgerichtig gemäß unserer Gesetzeslage.

    Demnach verböte sich eine Kritik am Gericht - denn es ist nicht statthaft, aus persönlicher Betroffenheit allgemeine Rechtsgrundsätze "ausnahmsweise" in Frage zu stellen. Wenn, dann muss eben das Gesetz geändert werden - was Herr Edathy aber m.K. nach nicht vorgeschlagen hat.

  • S
    sebastian

    @ Aristolex

     

    Das Einzige was ich als Deutscher gelernt habe ist das die Regierung beim Kampf gegen Raaaechts auch ueber Leichen geht. Soviele Ungereimtheiten wie in diesem Fall gab es wohl seltend. Ganz klarer Staatsterror ala Gladio, Strategie der Spannung i m wahrsten Sinne das Wortes.

     

    Wenn man eiligst Akten vernichten muss dann aus dem Grund das man selbst der Taeter ist.

     

    Das hat nichts mit Neonazis zu tun sondern mit Europapolitik. Eine nationale Politik ausgehend von Deutschland darf nicht geduldet werden weil es das grosse Projekt gefaehrdet. Soweit klar?

     

    Mit dieser Story sollen wir Deutschen wehrlos gemacht werden, eine Keule um immer mehr Souveraenitaet abzugeben.

     

    Man hat schon hat fuer weniger gemordet wie in Italien damals.

     

    Wie es wirklich gewesen ist wird man wohl erst nach einem Zusammenbruch der BRD erleben sofern die nachfolgenden Politikrt Interesse daran haben die jetzige BRD und EU zu besudeln.

     

    Vielleicht werden wir es noch erleben.

  • EP
    el presidente

    dann müßen sie eben den Gerichtssaal umbauen. Eine Ehrenloge mit goldenem Thron für seine Excellenz sollte mindestens drin sein. Der Gerichtsdiener reicht dort selbstverständlich Getränke und Speisen. Der Prozess beginnt immer erst dann wenn seine Excellenz zweimal in die Hände klatscht...

  • J
    juan

    @Aristolex: ich denke, dass um etwas aus der Geschichte zu lernen, die kommentierenden auch lernwillig sein müssten. Wenn man jedoch im grunde die nsu ganz ok findet, dann kommen auch solche verweise auf den deutschen rechtsstaat, fragen nach der zuständigkeit der türkischen würdenträger etc. Was tun?

  • Z
    zensiert

    die entscheidung des münchner gerichts lässt ganz simpel als logische konsequenz der art und weise der "ermittlungen" nach den nsu-morden in die verfahrensweise der deutschen behörden einordnen. wer es schafft, dass wichtige akten in seinen eigenen behörden verschwinden und dann nicht einmal aufgeklärt wird, warum dies geschah, der schafft es auch, abgesehen vom sowieso - absichtlich!? - über zu lange zeit in ganz falsche richtungen ermitteln, den vergleichsweise kleinen eklat zu begehen, diesen menschenrechtsbeauftragten außen vor zu lassen.

     

    wundern tut das verhalten des gerichts doch niemanden in deutschland. höchstens wird der türkische seite oder den weiteren internationalen beobachtern nur einmal mehr klar, wie rassistisch geprägt und sozialisiert die deutsche gesellschaft ist.

  • B
    broxx

    @Aristolex

    Und ich dachte es ist bis jetzt noch niemand verurteilt, also ist auch noch nichts bewiesen.

    Einfach mal die gleichen Ansätze wie bei dem "Stammheim-Selbstmord" ansetzen. Oder wie die Linken immer behaupten-alle Menschen sind gleich...

  • A
    Aristolex

    Unfassbar,

    wenn man die Meinungen hier liest und die falsche Entscheidung des Gerichts hinzu.

    Deutschland hat nichts, aber auch gar nichts infolge der NSU-Morde gelernt.

    Ich vermute, dass dies für die Mehrheit der deutschen Gesellschaft gilt.

  • T
    Teermaschine

    Achtung! Jetzt kommt ein Eklat.

     

    Unwillkürlich richten ältere Semester ihren Blick erwartungsvoll gen Himmel - Nein, weder stürzt etwas ein noch regnet es Kartonagen; es ist nur wieder der inzwischen taz-typische Alarmismus. Aber so lange die Durchgeknallten nicht allen Ernstes die Errichtung von UNO-Schutzzonen in westdeutschen Großstädten (inklusive Berlin) fordern, besteht noch Hoffnung, dass nicht schon der letzte Rest gesunden Menschenverstandes durch die Druckerpresse gegangen ist.

  • VV
    Verus Votum

    Der einzige Eklat ist die Haltung der TAZ.

    Alle anderen Zeitungen, egal ob SZ, Zeit oder FAZ, schaffen es die Unabhängigkeit in den Vordergrund zu stellen. Schaffen es zu Betonen dass man keine Ausnahmen machen darf, weil dies sonst weitere Zehntausend Ausnahmen nach sich zieht.

     

    Nur die TAZ mit ihrem - soll man sagen verzerrten? - Bild von Gerechtigkeit und Gleichbehandlung macht da die Ausnahme. Und das nennt sich dann Unabhängig....

  • B
    boateng

    Ich denke der türkische Menschenrechtsbeauftragte

    der Türkei dürfte eh kaum Zeit haben wenn er seinen Job ernst nimmst.

    Beachtlich das diesmal von "mutmaßlichen" Tätern geschrieben wurde, ich dachte es sind schon alle längst abgeurteilt.

  • T
    Tarik

    Ja, ja,

     

    Diese Haltung ist schon Nachvollziehbar, denn in einem Land, in dem auch eine Hierarchie in der Wertschätzung der einzelnen Völker es gibt, ist es nicht verwunderlich, dass ein Richter so entscheidet. Auch der Richter ist in so einem Land aufgewachsen und hat sein Menschenbild hier in jenem Klima erworben.

     

    Hier ein Beispiel

     

    „Die meisten Deutschen sind Ausländern gegenüber tatsächlich aufgeschlossen. Nur dass viele die einzelnen Herkunftsländer hierarchisieren. Sie hätten wahrscheinlich ein Problem damit, in einem Viertel zu wohnen, in dem hauptsächlich Kongolesen leben, ein Schweden-Ghetto hingegen würde sicher schnell gentrifiziert.“

     

    „Diese selektive Liebe ist auch ein Schutz: Wer sagt, dass er Brasilianer, Italiener oder Thailänder total klasse findet, der kann doch nicht ausländerfeindlich sein – oder?“

     

    -Die Quelle für die o.g. Sätze kann ich Ihnen nicht mehr wieder geben-

     

    So ist der türkische Botschafter nicht gleich zu stellen wie mit einem englischen, franz. oder einem us.amerk. Botschafter.

    Nun, ich kann mich noch sehr gut an den Fall „Marco“ erinnern.

     

    „12. April 2007: Die Mutter des Mädchens erstattet Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauchs. Charlotte lässt sich von einem Gynäkologen untersuchen. Marco W. wird festgenommen und kommt in Antalya in Untersuchungshaft. Er bestreitet den Vorwurf.“

     

    25. Juni: Außenminister Frank-Walter Steinmeier und der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff setzen sich persönlich für den Deutschen ein.

     

    27. Juni: Die Staatsanwaltschaft Lüneburg leitet ein Ermittlungsverfahren gegen Marco W. wegen Verdachts des sexuellen Kindesmissbrauchs ein. Sie sieht aber keine Möglichkeit, in das türkische Verfahren einzugreifen.

    http://www.spiegel.de/panorama/justiz/chronologie-der-fall-marco-weiss-a-523445.html

     

    Hamburg - Es gab Mahnwachen für Marco. Er wurde in den Fürbitten-Katalog der evangelischen St.Petri-Gemeinde in Uelzen, seiner Heimatstadt, aufgenommen.

    Es wurde ein medialer hype hieraus gemacht. Es haben sich diverse wichtige und unwichtige Menschen/Institutionen mit eingeschaltet.

     

    Doch hier in einem Fall, wo Menschen kaltblütig umgebracht worden sind, spielen jene Menschen und Institutionen die drei berühmten Affen nach. Es macht den Anschein, dass es nach wie vor den Dunstkreis von Personen gibt, die deutscher sind als alle andern Deutschen.

    Wenn ein Botschafter nicht in so einem Fall vorgelassen wird, wann überhaupt kann er sich wohl irgendwie einbringen?

  • R
    Randnotiz

    Es wäre vielleicht ein Eklat, wenn, ja wenn der Herr Botschafter ein ebenso regelmäßiger Zuschauer bei all den Prozessen wäre, wo seine Landsleute als Angeklagte sitzen, weil sie mal wieder die Sitten und Gebräuche ihres Gastlandes missbraucht haben.

  • H
    Harald

    " ... der Menschenrechtsbeauftragte des türkischen Parlaments ... "

     

    Dazu muß man wissen, daß mit Menschenrechten nicht etwa die alte, völlig überholte UN Fassung gemeint ist, sondern die moderne, zeitgemäße "Kairoer Erklärung".

     

    Zudem ist Empörung über die Unabhängigkeit eines unabhängigen Gerichts natürlich verständlich. Hier hat die EU tatsächlich noch einen großen Reformbedarf, bevor sich der Rechtsstaat Türkei (Onur U.) zu einem Beitritt entschließen könnte.

     

    Diese Form der Mißachtung der Zuständigkeit wird zu ernsthaften Verstimmungen führen, denn ethnische Türken werden unabhängig ihres Geburtsorts oder Passes, von der Türkei politisch und juristisch vertreten.

     

    Angesichts dieser deutschen Insubordination ist es nur nachvollziehbar, wenn die deutschen Patriot Besatzer in der Türkei entsprechend behandelt werden.

     

    https://de.wikipedia.org/wiki/Kairoer_Erkl%C3%A4rung_der_Menschenrechte_im_Islam

  • G
    Georg

    Was will eigentlich der türkische Botschafter, handelt es sich bei den Ermordeten doch angeblich um Deutsche, zumindest hatten die einen deutschen Paß.

  • A
    ama.dablam

    Stimmt, ein Eklat: da will mal wieder jemand die Gewaltenteilung negieren und bläst sich auf. A là "wissen Sie denn nicht wer ich bin?"

     

    Schickt dem Edathy doch ein Grundgesetz. Von mir kostenfrei zum nachlesen der Hinweis auf den Nichtannahmebeschluss des BVerfG, Az.: 1 BvR 1932/02

  • I
    Ingeborg

    Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich. Auch Botschafter stellen da keine Ausnahme dar. Definitiv pro.