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NS-RaubkunstBundeskabinett billigt Reform zu Rückgabeverfahren

Ein Schiedsgericht soll künftig die Restitution von NS-Raubkunst erleichtern. Experten und Nachfahren von NS-Opfern haben Zweifel an dem Verfahren.

Provenienzforschung NS Raubkunst im Brandenburgischen Landesarchiv Foto: Stefanie Loos

BERLIN taz | In Deutschland stehen bald Entscheidungen über den Besitz bedeutender Kunstwerke an. Darunter: eine Skulptur und ein Gemälde von Picasso sowie zwei Bilder von Paul Klee. Vor etwa 80 Jahren verloren jüdische Besitzer diese Werke. Wurden sie von den Nazis gestohlen, wie geschätzt 600.000 Kunstwerke im deutschen Machtbereich während des Nationalsozialismus? Oder verkauften die jüdischen Besitzer sie rechtmäßig? Die Antwort erfolgt in jedem Fall reichlich spät. Und schon jetzt ist strittig, ob das Verfahren die Nachfahren der Opfer angemessen berücksichtigt. In jedem Fall: Die Neureglung zur Restitution von NS-Raubkunst in öffentlichem Besitz kann in Kraft treten.

Das Bundeskabinett stimmte am Mittwoch der Einrichtung eines entsprechenden Schiedsgerichts zu. Weil es sich um ein Abkommen zwischen Bund, Ländern und Kommunen handelt, ist eine Zustimmung der Parlamente nicht notwendig. Ein erst am Dienstag veröffentlichter offener Brief von etwa 100 Historikern, Rechtsanwälten und Nachkommen verfolgter Jüdinnen und Juden blieb ungehört.

Staatsministerin Claudia Roth (Grüne), deren Haus die Gespräche zwischen Bund, Ländern und Kommunen über die Reform initiiert hatte, begrüßte die Einrichtung des Schiedsgerichts. „Wir erleichtern die Rückgabe von NS-Raubgut“, erklärte sie. Deutschland werde „seiner historischen Verantwortung besser gerecht“.

Die Reform beendet die Arbeit der Beratenden Kommission, die bisher in 24 Fällen entschied. Freilich nicht in anderen, denn bisher galt, dass alle Parteien einer Anrufung zustimmen mussten. Verweigerte dies ein Museum, blieb auch ein Urteil aus. Das betraf auch die eingangs erwähnten Kunstwerke, die sich im Besitz des Freistaats Bayern befinden. Einer Entscheidung durch das Schiedsgericht will man sich in München aber nicht verschließen. Überhaupt sieht die Reform vor, dass ein Urteil über Besitzansprüche auch gegen den Willen einer Partei erfolgen kann.

Nachfahren von NS-Opfern schreiben Brief an Scholz

Genau das bezweifeln die Experten und Nachfahren von NS-Opfern in ihrem Brief an Scholz. „Die Behauptung, die Opfer würden gestärkt werden, entspricht nicht der Wahrheit“, heißt es darin. Insbesondere kommunale Kultureinrichtungen hätten sich bisher nicht zu dem Schiedsgerichtsverfahren bekannt – und ob sie sich in Zukunft an das neue Verfahren halten werden, ist nicht klar.

Zudem beklagen die Kritiker, dass „ganze Opfergruppen wie verfolgte Kunsthändler“, die unter dem Druck der Verfolgung Kunstwerke verkaufen mussten, diese „nicht mehr zurückerhalten“. Auch für Verfolgte, die Kulturgut im Exil verkaufen mussten, gebe es künftig „nur noch einen sehr eingeschränkten Anspruch auf Restitution“.

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