NRW-Medienminister über Mediengesetz: "Mischung ist unsere Stärke"
Das am Donnerstag in den Landtag gehende neue NRW-Mediengesetz ist nicht von den Lippen der Verleger abgelesen, sagt NRW-Medienminister Andreas Krautscheid.
taz: Herr Krautscheid, der Handelsblatt-Blog lästert über die "Gestrigkeit des Medienstandorts NRW" und beim Medienforum kamen noch mal weniger Leute als im Vorjahr - steckt die NRW-Medienpolitik in der Krise?
wurde 1961 geboren, trat 1976 in die Junge Union ein und studierte Rechts- und Staatswissenschaften. Seit 2007 ist er nordrhein-westfälischer Minister für Bundesangelegenheiten und Europa, seit 2008 auch Medienminister.
Andreas Krautscheid: Das ist eine völlige Fehleinschätzung. Medial ist NRW gut aufgestellt - technologisch wie personell. Wir haben sogar eine ganz besondere Spannung, weil hier bei uns neue Mediensegmente - wie zum Beispiel der Games-Bereich - auf die starken etablierten Akteure aus den klassischen Märkten TV, Radio und Print treffen. Diese Mischung macht unsere zukünftige Stärke aus.
Das neue Mediengesetz liest sich ja auch so, als hätten es seine Verfasser von den Lippen der Verleger abgelesen: Sie dürfen endlich stärker bei den regionalen TV-Sendern ran.
Ich finde schade, dass das Gesetz immer nur auf diesen einen Absatz reduziert wird. Wir packen da über 80 Themen an. Und im lokalen Fernsehen gab es in den letzten Jahren unübersehbar Stagnation: Nehmen Sie Center-TV -da ist die Situation momentan weder qualitativ noch finanziell optimal. Nach dem noch gültigen Gesetz sind nur Minderheitsbeteiligungen möglich, da investiert keiner.
Und jetzt will die WAZ-Gruppe TV-NRW halt ganz kaufen …
Es gibt Unternehmen, die investieren wollen. Darunter Verleger, aber auch andere. Und wir haben sehr lange über dieses heiße Eisen diskutiert: Unter welchen Bedingungen soll jemand, der schon eine sehr starke Stellung in einem Mediensegment wie Print hat, auch beim Fernsehen noch Alleininhaber werden dürfen? Wir versuchen hier einen tragfähigen Mittelweg zwischen zwei Polen zu finden - bei den Verlegern gab es ganz andere Wünsche - die völlige Freigabe.
Laut Gesetzentwurf müssen im Fall der Alleinherrschaft dann Programmbeiräte oder Sendezeiten für Dritte her. Das klingt nach Feigenblatt, von dem die Grünen argwöhnen, dass es zudem verfassungswidrig sei.
Neben Drittsenderechten und Beiräten gibt es auch noch die Möglichkeit, das schon beim lokalen Radio erprobte Zwei-Säulen-Modell auch beim Fernsehen anzuwenden: Ein Betreiber sorgt für die technische Seite, um den Inhalt kümmert sich eine separate Veranstaltergemeinschaft. Was die rechtliche Seite angeht: Wir haben hier lange mit Verfassungsjuristen überlegt, und ich bin auch gerne bereit, mich mit dem Gutachten der Grünen intensiv auseinanderzusetzen. Da sind einige Aspekte drin, die wir diskutieren sollten.
Über die Debatte können dann alle NRW-SchülerInnen der neunten Klassen lesen: Sie wollen ihnen ab September für ein Jahr lang Zeitungen in die Schulen schicken. In letzter Zeit mal in Frankreich gewesen?
Allerdings: Ich war in Paris und hab mir deren Subventionssystem angeschaut - und mein Eindruck davon ist so nachhaltig wie negativ. Da haben viele Zeitungen schon zu lange das süße Gift der staatlichen Subvention genossen, und man bekommt mit, wie die Schere im Kopf arbeitet.
Die NRW-Verleger reagieren eher verhalten euphorisch auf Ihren Vorstoß - weil noch nicht klar ist, wer die rund 200.000 Exemplare pro Tag bezahlt?
Es geht um zusätzliche Kosten für Logistik, Druck und die pädagogische Begleitung des Ganzen. Das wird man sich teilen müssen, wir verhandeln das gerade. Von unserer Seite werden Staatskanzlei, Kultur- und Wirtschaftsministerium, aber auch die Förderprogramme für Medienkompetenz ihren Beitrag leisten. Es geht ja ausdrücklich darum, dass da nicht nur ein Stapel Zeitungen vor der Klasse liegt und wer will, bedient sich. Das Projekt heißt ja nicht nur Zeitung in der Schule, sondern auch Schule in der Zeitung, mit Schülerreportern und so weiter.
Sie haben sich beim "Printgipfel" des Medienforums für die Zeitungsvielfalt starkgemacht. Derweil baut das größte Zeitungshaus in NRW, die WAZ, rund ein Drittel des journalistischen Personals ab, vor allem in der Region. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers eröffnet dafür gern das Zentrale Content-Desk der WAZ. Wie passt das zusammen?
Man muss hier unterscheiden: Die betriebswirtschaftlichen Fragen müssen die Verlage beantworten. Klar ist aber auch: Wenn man die lokale Berichterstattung aufgibt, läuft das auf eine Preisgabe der Leser hinaus. Ich glaube der Botschaft nicht, dass man mit einem Drittel weniger Redakteure eine bessere Zeitung hinbekommt.
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