NHL-Duell im kanadischen Eishockey: Bereit für ein derbes Derby

Das Eishockeyteam der Edmonton Oilers zieht in die zweite Playoff-Runde ein. Trotz ihrer Stars Draisaitl und McDavid ist das etwas Besonderes.

Leon Draisaitl richtet seinen Helm

Wichtig für die Edmonton Oilers: Leon Draisaitl spielt trotz Verletzung Foto: Mark Humphrey/ap

Leon Draisaitl war leicht genervt. Er blickte aus erschöpften Augen auf den Reporter, als der noch von ihm wissen wollte, ob die Edmonton Oilers nun „über den Berg“ seien. Dann riss sich der deutsche Eishockeyprofi zusammen, atmete einmal kurz durch und antwortete: „„Ein großer Moment, es fühlt sich gerade sehr gut an. Aber wir haben noch nichts erreicht.“

„The hump“, die erste Anhöhe auf dem Weg zu einem möglichen Stanley-Cup-Sieg, war das Thema, nachdem die Oilers auf dramatische Weise ihre Erstrunden-Serie gegen die Los Angeles Kings gewonnen – oder sollte man besser sagen: überstanden hatten? „Wir haben einen weiteren Tag überlebt“, sagte ein ebenso erschöpfter Conor McDavid, Kapitän der Oilers und der nach allgemeiner Einschätzung beste Eishockeyspieler des Planeten, nach dem hart erkämpften 2:0-Erfolg im siebten und entscheidenden Spiel der Best-of-7-Serie gegen die Kings, in der Draisaitl trotz einer schweren Bänderverletzung im rechten Knöchel auflief und sogar die Vorlage zum wichtigen Führungstreffer gab.

Die Oilers haben nur die erste Runde der Playoffs gewonnen. Das aber wurde in Edmonton fast so gefeiert wie die Titel aus den erfolgreichen 80er-Jahren mit Wayne Gretzky. Denn jeder in Edmonton weiß: Wenn die Oilers in diesem Jahr wieder nicht weit kommen in den Playoffs, wenn man trotz der beiden Jahrhunderttalente McDavid (25) und Draisaitl (26) wieder nichts gewinnt, dann steht alles zur Disposition – vom Trainer über das Management bis vielleicht zu den Superstars selbst.

Seit 2015, seit McDavid und Draisaitl zusammen für die Oilers auflaufen, haben die beiden zwar insgesamt viermal die Wahl zum besten Spieler der NHL gewonnen, aber erst zum zweiten Mal die erste Playoffrunde überstanden. Immerhin scheint sich die Mentalität des Teams unter dem neuen Trainer Jay Woodcroft, der mitten in der Saison den Posten übernahm, geändert zu haben: Früher beobachte der Rest der Mannschaft, wenn es nicht lief, am liebsten interessiert, was den beiden Superstars so einfällt.

Ohne Schulterpads wirkt er zart

In den letzten beiden Spielen gegen die Kings, die sie unbedingt gewinnen mussten, verteidigten die Oilers leidenschaftlich und leisteten sich im Gegensatz zu früheren Jahren keine dummen Fehler. „Es war nur die erste Runde, der Weg ist noch lang“, sagt McDavid, „aber wir haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt – und uns diesmal nicht selber in den Fuß geschossen.“

Es war vor allem der ohne Schulterpads erstaunlich zart wirkende McDavid, der die Oilers antrieb und in den sieben Spielen sagenhafte 14 Scorerpunkte sammelte. „Conor ist der beste Spieler der Welt – und das hat er in den letzten beiden Spielen gezeigt“, sagte Draisaitl. „Dabei geht es nicht nur um sein Können, das offensichtlich großartig ist, sondern um seinen Willen – den kann man in seinen Augen ­sehen.“

Dieser Wille wird in der zweiten Runde noch nötiger sein, denn gegen die Calgary Flames gelten die Oilers als Außenseiter. Die martialisch betitelte „Battle of Calgary“ beginnt in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag und hat lange Tradition.

Die für die ansonsten eher entspannte kanadische Mentalität sehr ausgeprägte Rivalität zwischen dem wirtschaftlichen Zentrum Calgary und der Verwaltungshauptstadt Edmonton beschränkt sich zwar nicht allein auf den Sport, sondern wird auch in Kultur und Politik leidenschaftlich gelebt. Aber im Eishockey findet die Konkurrenz ihr offensichtlichstes Ventil seit den 80er-Jahren, als entweder die Oilers oder ­Flames acht Jahre hintereinander die Finalserie erreichten und sechs Stanley-Cups gewannen.

Seit 1991 gab es keine „Battle of Alberta“ mehr in den Playoffs, seitdem hat sich das Spiel radikal verändert – nicht zuletzt die Schlägereien, die damals an der Tagesordnung waren, gibt es heute kaum noch. Trotzdem prognostiziert Grant Fuhr „eine extrem körperliche Serie“. Der Goalie der legendären Oilers der 80er-Jahre glaubt: „Es wird bösartig werden, und die Mannschaft, die damit besser klarkommt, wird sich durchsetzen.“

Keine guten Nachrichten für Leon Draisaitl und seine Verletzung. Als er am Sonntag gefragt wurde, wie er mit seinem lädierten Fuß hatte spielen können, schaute er leicht indigniert und sagte: „Mir geht’s gut.“ Ob gut genug für den nächsten Berg, wird man sehen.

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