NACHRUF: Tod eines Rebellen
Gerold Janssen, Naturschutz-Aktivist, Verteidiger und Retter des Hollerlandes, ist im Alter von 88 Jahren gestorben. Aus seinen Feinden hat er stets Freunde gemacht
Ralf Fücks, damals noch grüner Umweltsenator, hat ihn mal einen „Chaoten“ genannt. 1993 war das, als Fücks ihm das Bundesverdienstkreuz verlieh. Doch für einen wie Gerold Janssen war das keine Beleidigung. Den Preis hat er trotzdem wieder zurückgegeben, nicht nur wegen der Alt-Nazis, die ihn auch bekommen haben, sondern vor allem wegen Fücks’ umweltfeindlicher Politik.
Von Parteien hat Janssen sich nie vereinnahmen lassen. Von keiner. Aber er hat es stets verstanden, sie für sich, für seine Anliegen zu vereinnahmen. Und zwar alle. „Mir ist es gelungen, aus Gegnern Freunde zu machen“, hat er einmal gesagt. „Das ist mein Erfolgsgeheimnis.“ Jens Eckhoff zum Beispiel, damals CDU-Bausenator. „Der gehörte ja zur Betonfraktion“, befand Janssen – doch am Ende standen beide einträchtig beieinander, auf der Brücke über die Kleine Wümme, reichten sich die Hände. Und Eckhoff zollte Respekt.
In den Sechzigern, als anderswo die StudentInnen sich mit den Befreiungsbewegungen in Lateinamerika solidarisierten, da gründete Janssen seine erste Bürgerinitiative, zur Rettung des Horner Bades. Und hatte Erfolg. Anschließend kämpfte er gegen den Verkehr in Horn und für die Rechte der RadfahrerInnen, gegen die Ansiedlung von Siemens auf dem Uni-Gelände und, natürlich, jahrelang, quasi im Alleingang, für das Hollerland, das der Senat einst – heute undenkbar – mit 15.000 Wohnungen für 50.000 Leute bebauen wollte.
1989 feierte Gerold Janssen damit seinen größten Triumph, in einer Oktobernacht, „bei Schinken und sehr viel Rotwein“, wie es heißt, auf der Terrasse seines Hauses. Am Ende sah sogar Henning Scherf ein – Janssen: „Der hat von Ökologie schlicht keine Ahnung“ – also sogar der Bürgermeister musste schließlich erkennen, dass das Hollerland besser nicht bebaut wird. Na ja: fast nicht. 90 Prozent konnte Janssen retten. Den Rest nicht. Und dafür hat er sich geschämt. 2004 schließlich wird das Hollerland, dank der EU und eines Fisches namens Schlammpeitzger, endgültig gerettet.
„Er ist über seine Grenzen gegangen“, sagt seine Tochter Astrid – weil er stets getan hat, so war er überzeugt, „was getan werden musste“. Da war er nicht nur originell und clever, unermüdlich und unerschrocken, kreativ und gewitzt, sondern, auf liebenswerte Weise, auch stur. Auch wenn er sich damit selbst überfordert hat. Zeit seines Lebens hatte Janssen immer wieder mit depressiven Phasen zu kämpfen.
Geboren 1923 in Borssum bei Emden musste er die Schule mit einem Notabitur verlassen. Er ließ sich zum Flieger ausbilden, das Kriegsende erlebte er in Norditalien und Gefangenschaft. Sein Vater war ein Nazi, bei ihm lernt er Bäcker, doch den seit 1750 in Familienbesitz befindlichen Betrieb übernimmt sein Bruder. Janssen geht als Reederei-Kaufmann nach Hamburg, Anfang der Sechziger nach Bremen, wo er über 20 Jahre Wirtschaftsprüfer der Fides Treuhand ist. Das Hollerland wird sein zweites Zuhause, ein Stück wiederbelebte Heimat: „Ich weiß, was es bedeutet, eine wunderschöne Landschaft nur noch als Erinnerung zu besitzen.“
2006 stirbt seine Frau Fenna, deren Rolle in Janssens Leben und Kämpfen sehr zentral ist. Er fällt in ein tiefes Loch. Dank einer Katze, Mieke mit Namen, entscheidet er sich schließlich „nochmals fürs Leben“, wie seine Tochter Astrid sagt. Mit ihr war er „mehr“ als der alte Pettersson mit seinem Kater Findus in dem Kinderbuch, sagt sie.
Am Sonntag ist Gerold Janssen im Beisein seiner beiden Kinder friedlich eingeschlafen.
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