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Mykonos liegt nun auch in Wien

Verhinderte Österreichs Regierung auf iranischen Druck 1989 die Verfolgung der Mörder dreier Exilkurden? Berichte über obskure Waffen- und Öldeals belasten hohe Politiker  ■ Aus Wien Ralf Leonhard

Österreichs Regierung hat sich vom Iran erpressen lassen. Dieser bereits im Mykonos-Urteil angedeutete Vorwurf erhält täglich größere Glaubwürdigkeit. Neueste Episode: Auf Drohungen des Mullah-Regimes unterließen es die Behörden vor acht Jahren offenbar, die Mörder von drei Kurdenpolitikern zu verfolgen.

Im Sommer 1989 wurden in Wien Kurdenführer Rahman Ghassemlou, der Politologe Fadel Rasoul und ein dritter iranischer Kurde ermordet. Wien ist traditionell ein Tummelplatz für Exilkurden, die manchmal auch gegeneinander Gewalt anwenden, doch diesmal fiel der Tatverdacht schnell auf drei Männer, von denen zwei iranische Diplomatenpässe hatten. Bevor eine Untersuchung eingeleitet wurde, durften sie ausreisen. Einer wurde sogar von der Polizei zum Flughafen gebracht.

Alois Mock (ÖVP), damals Außenminister, und Franz Löschnak (SPÖ), damals Innenminister, wollen sich heute aber nicht erinnern, in irgendeiner Weise von der iranischen Führung unter Druck gesetzt worden zu sein. Für Löschnak gab es damals nur „polizeiliche Pannen“. Die Einsetzung eines von der Opposition geforderten parlamentarischen Untersuchungsausschusses wurde am Mittwoch im Parlament von den Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP abgelehnt. Aber neue Dokumente, die gestern in der österreichischen Presse veröffentlicht wurden, untergraben die Glaubwürdigkeit der Exminister erheblich. So dokumentiert ein Aktenvermerk des Richters Peter Seda eine Intervention des damaligen Chefs der Staatspolizei, Anton Schulz, zugunsten der Verdächtigen. Am Tage darauf wurden die Haftbefehle aufgehoben, und sogar die Überwachung der iranischen Botschaft, wo die mutmaßlichen Auftragsmörder sich versteckt hielten, wurde auf Anordnung des Generaldirektors für öffentliche Sicherheit reduziert. Ein Aktenvermerk des Innenministeriums registrierte die Einreise eines iranischen Dienstpaßinhabers, dessen Aufgabe es gewesen sein soll, die Täter aus dem Land zu schleusen. Ein Beamter des Außenministeriums erinnert sich an Drohungen des iranischen Botschafters, Österreicher dürften sich im Iran nicht mehr sicher fühlen, sollte in Wien ein Verfahren eröffnet werden. Mock soll das gewußt haben.

Der Grünen-Politiker Peter Pilz, der sich vor seiner politischen Laufbahn auf Waffengeschäfte spezialisiert hatte, glaubt, daß die Regierung einen saftigen Auftrag des Iran bei der österreichischen Rüstungsfabrik Noricum nicht gefährden wollte. Für den ehemaligen Staatspräsidenten Abol Hassan Bani Sadr, der gestern auf Einladung der Grünen aus dem französischen Exil nach Wien kam, gilt es gar einen noch größeren Sumpf zu entdecken: Der Iran hätte mit der Veröffentlichung von Dokumenten gedroht, die die Verstrickung österreichischer Regierungsmitglieder in die angebliche Verschiebung von 100 Milliarden Dollar iranischer Öleinnahmen ins Ausland belegen.

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